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Published on Dezember 28th, 2015 | by Manuel Simbürger

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ANTM: Neue Model-Wege

Mit “Real Life by Papis Loveday” beschreitet Austrias Next Topmodel neue Wege und zeigt Mut zur Veränderung. Das neue Konzept tut der Show gut, die Dramaturgie nervt endlich nicht mehr. Und sogar die KandidatInnen zeigen neue Seiten an sich.

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In den letzten Wochen kam ANTM (eh schon wissen, Austrias Next Topmodel, nicht – RIP – Americas Next Topmodel) weder bei Fans noch bei Kritikern (okay, da wohl sowieso nie) nicht wirklich gut weg. Zu langweilig die Shootings, zu chaotisch das Auswahlverfahren, zu offensichtlich das Dramaturgie-Gehabe der Puls 4-Redaktion. Da werden KandidatInnen nicht rausgeworfen, sondern wieder zurückgeholt, dann wieder rausgeworfen, dann wieder zurückgeholt. Dann ist er plötzlich nicht mehr da – Max – , dafür dann wieder der andere – Tassilo. Da kickt man KandidatInnen raus, die sich durchaus nicht blöd bei den Challenges angestellt haben und sogar Modelpotenzial erkennen lassen – Patrick, Katja -, lässt dafür Jungs und Mädels im Rennen, die einzig und allein dafür da sind, um der Show Leben und Spannung und Kontroverse einzuhauchen – Gloria, Bernhard, Melisa. Wobei, Melisa, die ist ja sowieso so eine eigene Sache. Aber dazu später. Und manche Dialoge wirkten obendrein tatsächlich mehr als gestellt – etwas, das man in dieser Art von ANTM noch nicht kannte. Tradition sind allerdings schon bis zum Erbrechen hingebogene Möchtegern-Liebeleien zwischen den KandidatInnen – Mia & Bernhard, Patrick & Gloria -, wo sogar dem größten Naivling vor dem Bildschirm klar sein dürfte, dass sich hier so rein gar nix abspielt. Da hilft auch der raffinierteste Schnitt und der spöttischte Off-Kommentar nichts.

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Es schien also alles so, als ob die aktuelle Staffel von ANTM schon alle Karten verspielt hätte. Um das Klischee zu strapazieren: Liebes Puls 4, wir haben heute leider kein Foto für dich. Und dann aber, plötzlich, vorherige Woche, da kam frischer Wind in die Modelshow (sorry, Tassilo, damit bist nicht Du gemeint). Weil jetzt plötzlich verlässt man eingefahrene Wege, traut sich an Neues heran. Klar von der MTV-Reihe „Real Life“ inspiriert, müssen sich die letzten verbliebenen KandidatInnen „ganz allein“ durch die „Modemetropole“ Hong Kong durchschlagen. Müssen sich allein Jobs beschaffen, sich in einer fremden Stadt zurechtfinden, Social Networking betreiben. Das echte Leben eines Models halt, wie uns Zusehern immer wieder während der Folge versichert wird.

Klar: Das echte Leben eines Models schaut nicht ganz so aus – in solch einer Bruchbude von Hotel, wie den ANTM-KandidatInnen aufgezwungen wird, hausen wohl nur die wenigsten. Und so „ganz allein“, ohne Hilfe, ohne Beistand, ohne weise Worte sind die Jungs und Mädels natürlich auch nicht. Modepapagei Papis Loveday steht den Models zur Seite, die berühmt-berüchtigt-gefürchtete Fashion Academy gibt es – irgendwie – auch immer noch. Und doch: Plötzlich macht es wieder Spaß, zuzusehen. Die Fotoshootings gewinnen wieder an Spannung, Dramaturgie ergibt sich durch das neue Setting (fremde Stadt) und vor allem Konzept beinahe von selbst, endlich wirkt die Show wieder lockerer und weniger erzwungen. Überraschend, dass das Fernbleiben von Juroren Melanie und Michael der Show mehr als gut tut: Keine pseudo-intelligenten und pseudo-kaltherzigen Kommentare mehr, kein Bewerten von oben herab. Papis, so gewöhnungsbedürftig er auch zuweilen sein mag, behandelt die KandidatInnen auf Augenhöhe, bringt Witz und Charme mit und wirkt, obwohl in jeder einzelnen Sekunde over-the-top, nie aufgesetzt oder künstlich. Und ach ja, Bianca fehlt ja auch. Falls es wen interessiert. Macht nämlich nicht wirklich einen Unterschied.

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Vor allem aber gelingt es „ANTM: Real Live by Papis Loveday“, neue Seiten der KandidatInnen zu zeigen – oder jene, die man bereits zur Genüge kennt, unterhaltsam zu parodieren. Zwar gab’s bis dato nur eine Folge, zugegeben, aber die ließ Vielversprechendes hoffen: Fabian, bis jetzt einer der Stars unter den Nachwuchsmodels, fällt plötzlich in seiner Leistung ab und wirkt nicht nur blass, sondern zeigt auch immer mehr, dass er von Bildung nicht wirklich viel hält. Glora, die Trashqueen, ist stoisch wie immer und mausert sich zur neuen Love-Hate-Kandidatin. Genauso wie Bernhard, der als Schlaftablette wohl mehr Erfolg als als Model hätte. Angelina ist bei Fotografen und Co beliebt wie immer und wirkt – wenn auch schon die Wochen zuvor – befreiter, entspannter, selbstironischer. Wenn’s wirklich darum geht, das nächste Topmodel zu finden, sollte “die Angie” den Sieg davontragen. Da passt wirklich alles.

Die großen Überraschungen sind aber Melisa und Mia: Klar, letztere ist immer noch die große Sympathieträgerin der Show. Und ja, sie ist auch wirklich lieb und nett und engagiert und macht alles richtig, die Mia. Ich mag sie ja auch echt gern und sie wird auch sicher eine Zukunft bei Puls 4 haben. Aber irgendwie – und ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen, das zu schreiben, denn die Mia ist wohl eine Gute – erweckt sie immer mehr bisserl den Eindruck einer Streberin, deren Ehrgeiz und ständige gute Laune etwas, ein klein wenig, zu nerven beginnen. Hier wäre weniger manchmal tatsächlich etwas mehr. Melisa, eigentlich ANTM-Zicke und -Biest vom Dienst, kann, zumindest bei mir, immer mehr Sympathiepunkte gewinnen. Anders als die meisten anderen ihrer KollegInnen trägt sie das Herz auf der Zunge und kümmert sich nicht wirklich darum, wie sie bei den ZuseherInnen (oder sonst bei irgendwem) ankommen könnte. Statt Bissigkeit gibt’s von ihrer Seite aber nun immer mehr (Selbst-)Ironie und Zynismus, der – oftmals als einziges während einer Folge – einem tatsächlich zum Lachen bringt. Sie ist genervt von allem und jedem um sich herum, gleichzeitig aber bei Castings so schüchtern, dass man sie beschützend umarmen möchte. Sie sagt mit festem Blick der Puls 4-Redaktion in die Kamera, was sie von dem ganzen Zirkus rund um sie hält. Wenn sie jetzt auch noch das Lästern einstellt, könnte das tatsächlich etwas werden. Und auch: Mittlerweile mausert sie sich immer mehr zu jemanden mit wirklichem Modelpotenzial. Genauso übrigens wie Doch-wieder-dabei-Junge Tassilo, der bisher eher farblos wirkte, in Hong Kong durch sein Aussehen aber plötzlich zum Exoten der Gruppe wird und durch Bodenständigkeit und Professionalität punktet.

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Hoffen wir also, dass die letzten Wochen so spannend und unterhaltsam weitergehen. Morgen steht ja das große Umstyling von Gloria an und Bernhard – festhalten – redet und lacht sogar! Endlich warte ich wieder mit Spannung auf die nächste Folge. Vielleicht fliegt ja auch wieder mal wer raus. Das wäre, obwohl nun – auch das wird nun deutlich – tatsächlich nur noch die besten KandidatInnen mit von der Partie sind, schon mal wieder nett. Schließlich handelt es sich bei ANTM immer noch um einen Wettbewerb und nicht um eine Trash-Kardashians-Jersey-Shore-TV-Gazette. Das sollte Puls 4, trotz Hong Kong-Überflug, bitte nicht vergessen.

Fotos: Puls 4

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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