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Published on August 24th, 2013 | by Manuel Simbürger

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Christina Aguilera: Warum Talent manchmal nicht reicht

Es ist schon frustrierend. Da klettern Sängerinnen und Sänger, die einen, um es nett auszudrücken, begrenzten stimmlichen Umfang haben, unaufhaltsam die Charts rauf. Miley Cyrus ist vielleicht zur Frau gereift, stimmlich ist ihre Top 10-Platzierung in den US-amerikanischen Charts mit ihrem neuen Hit „We can’t stop“ nicht wirklich gerechtfertigt. Ähnliches bei Aleksandra Stan. Und seien wir uns ehrlich, Katy Perry und Rihanna schaut man sich live am liebsten wegen der lustigen Kostümchen und der bombastischen Bühnenshow an und nicht wegen der atemberaubenden Sangesstimme der Damen.

Und dann gibt es Christina Aguilera, die bereits seit 14 Jahren im Pop-Geschäft mitmischt, viele Jahre davon sehr erfolgreich, letztens aber eher so dahin dümpelnd. Aguilera gilt unter Kritikern und Musik-Liebhabern als eine der besten (wenn nicht DIE beste) Sängerin ihrer Generation, die US-amerikanische Szene-Fibel „Rolling Stone“ wählte sie unter die 100 besten SängerInnen aller Zeiten – in der Liste ist Aguilera mit Abstand die jüngste. Fünf Grammys hat sie immerhin schon, ihre Live-Auftritte (besonders ihr James Brown-Tribut bei der Grammy-Verleihung 2007) gelten als wahrhaftiges Musikerlebnis. Dass die Aguilera was kann, das steht außer Frage. Ihre Stimme ist eine Gabe, die nur sehr wenige Menschen geschenkt bekommen.

Und trotzdem – seit einigen Jahren will es mit Aguileras Karriere nicht so recht klappen. Ihre letzten beiden Studioalben floppten gnadenlos, auch die (wenn auch sehr erfolgreiche) US-Show „The Voice“, in der Aguilera als Coach und Jury-Mitglied brilliert und v. a. polarisiert, brachte nicht den erhoffen Karriereaufschwung.
Woran liegt’s also? Wieso will die Masse nichts von Aguilera wissen, trotz unbestreitbarem Talent?

Ein Analysenversuch.

1. Fehlender Anschluss an die junge Zielgruppe

Anfang der Nullerjahre war Aguilera die erfolgreichste Popsängerin ihrer Zeit, galt als Ikone für die jungen CD- und Konzertkarten-KäuferInnen. Zwischen ihrem Retro-Album „Back to bacis“ (noch Nummer 1 in 15 Ländern!) und ihrem Electro-Clubsound-Album „Bionic“ vergingen ganze vier Jahre – und in diesen vier Jahren hat sich viel getan. Rihanna und Katy Perry eroberten weltweit die Charts und zeigten, dass man es eben doch den jungen, sexy Frauen am meisten abnimmt, wenn sie über Sex trällern. Und sie bewiesen, dass es nicht zwingend auf die Stimme, sondern auf eine kreative und ausgefallene Inszenierung der eigenen Person ankommt, wenn man erfolgreich sein will. Nicht, dass Aguilera bei der Inszenierungs-Sache jemals Probleme gehabt hätte, schließlich war sie u. a. die erste Sängerin, die sich auszog, um Platten zu verkaufen und um ihr „erwachsenes“ Image zu unterstreichen, aber verglichen mit Rihanna und vielleicht auch Perry war die Aguilera dann doch eher immer ein braves Mädchen, besonders zu ihren „Back to Basics“-Zeiten. Und vor allem: Kurz vor Erscheinen von „Bionic“ kam Lady Gaga, etablierte sich (wenn auch zu Unrecht) als Mutter des Electro-Sounds und stellte die Popwelt auf den Kopf. Ja, in den vier Jahren, in denen man von Aguilera nicht viel hörte, geschah viel. Vor allem, dass andere SängerInnen sie vergessen machten. Den Anschluss an das junge Publikum hat Aguilera seitdem nie mehr so richtig gefunden. Heute kennen Teenager sie vor allem als „The Voice“-Jurorin und Gastsängerin von Maroon 5 und Pitbull. Nicht gerade ein Ruf, den man sich als Diva wünscht.

2. Das falsche Zielpublikum

Wenn wir schon dabei sind: Aguilera konzentriert sich per se auf das falsche Zielpublikum, nämlich die 14- bis 25-Jährigen. Das kann man ihr nicht ganz verdenken, schließlich ist da das meiste Geld zu holen. Am Anfang ihrer Karriere war das auch noch in Ordnung, da war Aguilera als sexy Dirrrty-Girl, die stolz ihre Weiblichkeit zeigt und ihren Weg in der Welt sucht, auch gut aufgehoben. Spätestens aber, seit sie mit „Back to Basics“ ihre Liebe zu Soul, Jazz und Blues samt Hommages an Bille Holliday, Aretha Franklin und Etta James auf CD verewigt hat, weiß und spürt man: die Aguilera, die ist eigentlich aus einer anderen Zeit.

Was manche als „obersingen“ bezeichnen (ooohhh!! Aaahhhh! Iihhhh!) ist eigentlich eine Gesangstechnik, die auch schon oben genannte Damen angewandt haben, die dafür jedoch bewundert wurden. Heute ist man eine so kraftvolle Stimme, die manche als „liebeshungriger Elchschrei“ bezeichnen, die ihre Leidenschaft zur Musik rausröhrt, rausschreit und rausträllert, nicht mehr gewöhnt. Zumindest die junge Generation nicht. „Wer wirklich Stimme hat, sollte Musik für ein älteres Publikum machen“, meinen manche. Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, hat aber einen wahren Kern. Aguilera ist nicht dann am besten, wenn sie ihre eigenen Songs singt und performt, sondern wenn sie sich an Klassikern wie „It’s a man’s, man’s, man’s world“, “Ain’t no way“, “At last”, “The Prayer“, „I love you, Porky“,oder „A Song for you“ versucht. Oder wenn sie mit Tony Bennett das Duett „Steppin Out With My Baby“ mit Herz und Seele singt, als ob sie niemals etwas anderes getan hätte. Die Aguilera ist nicht im Clubsound zuhause, wie sie es seit ein paar Jahren so schmerzlich versucht, sondern eindeutig in Soul und Jazz. Sie ist am atemberaubendsten, wenn sie sich ohne viel Bühnen-Tam Tam die Seele aus dem Leib singt (wie hier und hier und hier. Und hier. Und nochmal.) – das können dann durchaus auch Pop-Liedchen sein. Aber auch das Rock-Genre steht ihr erstaunlich gut. Es scheint, als ob Aguilera eine Stilrichtung braucht, die Ecken und Kanten hat, die rau ist und nicht immer glatt daherkommt. Weshalb sie im Pop eben nicht am besten aufgehoben ist.

Kurz: Nicht auf die Teenies, sondern auf ältere Semester sollte sie sich konzentrieren, sollte weniger Lady Gaga, sondern mehr Alicia Keys nacheifern. Auch, wenn Christina Aguilera alles singen kann – aber genau hier liegen ihre Stärken. Ob man ihr jetzt noch die ernsthafte Soul-Diva abnimmt, darf natürlich mit Recht hinterfragt werden. Man könnte auch sagen: Aguilera verkauft sich unter ihrem Wert. Leider.

3. Ihr Image

Oh je, oh je. Da happert’s bei ihr wohl am meisten. Und zwar an verschiedenen Ecken. Zum einen: Damals, Anfang der Nullerjahre, da lobte man Aguilera für ihre kompromisslosen Stilwechsel, man nannte sie die „einzig würdige Nachfolgerin Madonnas“. Und alles hat man ihr abgenommen, ob das aggressive Sex-Kitten, die sensible Menschenrechtlerin, die Old School-Diva, die bisserl verrückte Kortisane oder einfach nur das süße Pop-Girlie. Aber irgendwann (um genauer zu sein: seit der Veröffentlichung von „Bionic“) hat man ihr all die verschiedenen Persönlichkeiten nicht mehr abgenommen. Die Sängerin, die vor kurzem noch von Etta James geschwärmt hat, meint plötzlich, sie sei immer schon Fan von elektronischer Hardcore-Musik gewesen? Kann zwar prinzipiell sein, ist aber unglaubwürdig. Zu schnell kam der Lookwechsel, zu verzweifelt kam die Suche nach dem richtigen Stil rüber. Was kommt denn nun an, wie mag man mich am liebsten, mit welcher Persona bin ich am erfolgreichsten? Und spätestens, seitdem Aguilera den runden 3er-Geburstag feierte und Mutter wurde, nahm man ihr nicht mehr ab, ausschließlich von Sex singen zu wollen. Bzw. empfanden es viele nur noch als peinlich. Das Pop-Biz ist hart und unfair, aber leider ist es so: Aggressiv sexy sein und über Sex singen dürfen nur die Anfang-20iger. Alles andere als billig, so sagt man. Nur scheint Aguilera das nicht hören zu wollen.

Hand in Hand damit geht Aguileras Styling der letzten Jahre. Man kommt nicht umhin, sich immer öfter gefragt zu haben, ob die Gute überhaupt einen Spiegel zuhause hat. Immer trashiger, immer billiger, immer knapper wurden ihre Outfits – und Aguilera selbst wurde gleichzeitig nicht nur älter, sondern auch immer fülliger. Auch, wenn ich einer derjenigen bin, die der Meinung sind, dass eine Aguilera mit Kurven sexier denn je ist: Ein Latexkleidchen und die kürzesten Miniröcke, dazu drei Schichten Make-Up, sollte man sich dann nicht anziehen. Lange Zeit wirkte Aguilera ein bisschen wie eine Schwester von Paris Hilton oder Kim Kardashian. Dass hinter all dem missglückten Stylings eine Stimme steckt, die ihresgleichen sucht – da dachte keiner mehr dran. Und dass sie im natural look am besten aussieht, das glaubt sie selbst anscheinend am wenigsten. Aguilera ist stolz darauf, eine Diva zu sein – und das ist sie sicherlich auch, in allen Variationen des Wortgebrauchs. Nur in Leoparden-Leggins sieht man eben nicht wirklich wie eine Diva aus.

Zu guter Letzt: Aguilera ist als schwierig, arrogant und beratungsresistent verschrien. Und gerechtfertigt oder nicht (immer wieder bestätigen Leute aus dem Biz, die mit der Sängerin zusammen arbeiteten, dass die Aguilera eine der nettesten und kreativsten Personen sei, die sie jemals getroffen haben) – mit ihrer oftmals kühlen und unnahbaren Art tut sie nichts dafür, dieses Negativ-Image zu bekämpfen. Und willst du in der Musikbranche Erfolg haben, brauchst du Leute, die hinter dir stehen, an dich glauben, in dich investieren. Immer wieder wurden Zwistigkeiten zwischen Aguilera und ihrer Plattenfirma laut. Verscherzt man es sich mit den Großen „da oben“, darf man auch bei einer Karriereflaute nicht auf Hilfe hoffen.

Klar: Auch Beyonce, Rihanna und Lady Gaga sind Diven – aber trotzdem Stars zum Anfassen. Genau das wollen die jungen Fans von heute. In einer Zeit von Facebook, Instagram und Tumblr – alles Soziale Netzwerke, die einen selbst in gewisser Maße zum Star werden lassen – will man Promis, die vor allem eines zu versprechen scheinen: „Ihr alle könnt Stars sein, könnt so groß wie ich werden! Ich zeige euch nur, wie’s geht – aber in jedem von euch steckt Potenzial!“ Und das verspricht Aguilera halt eher selten.

Im Gegenteil: Immer wieder betont sie, dass sie sehr wohl weiß, dass sie zu den Besten in der Branche gehört. Und wird dadurch manchmal zu ihrem größten Feind. Wenn sie sagt, „Bionic“ wäre nur deshalb gefloppt, weil das Album seiner Zeit voraus war (übersetzt: „Oida, seid’s ihr alle zu deppat, um zu verstehen, wie genial ich eigentlich bin?! Oder was?!“) und sie unverfroren in einem Interview von sich gibt, dass „Moves like Jagger“ (ihr Duett mit Maroon 5) nur deshalb ein Welthit geworden sei, weil sie als Gastsängerin mitwirkte (nämlich ganze 30 Sekunden lang), dann macht sie das leider nicht sehr sympathisch (auch wenn sie vielleicht Recht haben mag, nur sollte sie diese Meinungen anderen überlassen).

4. Fehlende Promotion

„Bionic“ und „Lotus“ sind bei weitem keine schlechten Alben, im Gegenteil: sie zeugen von stimmlicher Qualität, kreativem Mut und Genre-Vielfalt. Nur: die besten Songs nützen einem nichts, wenn keine Promo dazu gemacht wird. Zur „Bionic“-Veröffentlichung trat Aguilera noch brav in verschiedenen TV-Shows auf, gab sogar eine Art exklusive Unplugged-Show. Als die erste Single „Not myself tonight“ in den Charts aber enttäuschte (Tipp: mehrmals anhören – dann fetzt der Song gewaltig!), war’s vorbei mit den Auftritten. Zur Nachfolgesingle „Woohoo“ gab’s nicht mal mehr ein dazugehöriges Video, ebenso wenig zu “I hate Boys” (ja, ich wusste bis vor kurzem auch nicht, dass dies überhaupt ‘ne Single war!). Zu „You lost me“ (ironischerweise eine der stärksten Songs in Aguileras Karriere) zwar schon, nur das wollte dann gar keiner mehr sehen. Die Welttour wurde abgesagt.

Die „Lotus“-Ära war dann noch schlimmer: Gnädigerweise wurde die Vorab-Single „Your Body“ noch mit Video veröffentlicht (angekündigt als “Aguileras Comeback”), aber danach war’s so, als ob Aguilera fürs Album gar nichts mehr getan hätte – obwohl es danach noch gesamte zwei Singles (nämlich das wunderbare Country-Duett mit Blake Shelton und der durchaus fetzige Club-Song „Let there be love“) gab. Nur kriegte davon keiner was mit, weil es keine dazugehörigen Musikvideos gab und die Live-Auftritte von Aguilera derart rar gesät waren (und sich v. a. auf „The Voice“ beschränkten), dass nur Hardcore-Fans den Song als Single identifizierten. Noch dazu reines Chaos hinter den Kulissen: In manchen Ländern wurde nur der Song veröffentlicht, dann wieder nur jener. Ausgekannt hat sich da keiner mehr. Und erfolgreich waren die Singles in keinem Land. Aus der Tour wurde erneut nichts.

Promotion wird schnell als „Geldgeilheit“ und reiner Geschäftssinn abgetan (zumindest am zweiten ist nichts auszusetzen), aber eigentlich steckt da viel mehr dahinter: Fans wollen ihren Liebling auf der Bühne sehen, im Radio hören, wollen ihn schlicht und einfach zu Gesicht bekommen. Wird ihnen das verweigert, reagieren sie verständlicherweise gekränkt – und kaufen die Platten nicht mehr. Denn Fans wollen (erneut verständlich) von „ihren“ Stars was zurück haben, schließlich geben sie auch das Geld für deren Platten aus und machen dem Promi zum dem, was er ist. Fehlende Promotion wird als kalte Schulter verstanden. Und hört man sich in Christina Aguilera-Fanforen um, ist es genau was, was der Sängerin zum Vorwurf gemacht wird. Sängerinnen wie Alicia Keys oder Pink gehen bei Veröffentlichung eines neuen Albums sofort auf Tour – gedankt wird ihnen das mit ausverkauften Hallen. Aber auch Sängerinnen wie Joss Stone touren unaufhaltsam, auch wenn es statt einer Arena eben mal ein kleiner Club ist. Nur wird genau das Aguileras Ego nicht zulassen. Vor 400 Leuten performen und nicht vor 4.000? No way! Aber genau diese intimen Club-Auftritte würden bewirken, dass Aguilera wieder Anschluss und Verbindung zu ihren Fans, zum Publikum findet. Gegenwärtig hat sie den leider verloren.

Will sie es überhaupt?

Bill Werde, Redakteur des einflussreichen US-amerkanischen Musikmagazins „Billboard“ hat erst kürzlich anklingen lassen, ob Aguilera überhaupt noch ihren früheren Status als Sängerin zurück erobern möchte. Sie müsste hier harte Arbeit investieren, viele Denkweisen ändern und in manchen Dingen von vorne beginnen. Momentan scheint es, als ob Aguilera mit dem derzeitigen Stand ihrer Karriere zufrieden ist. Deshalb ist die Frage berechtigt: „Will sie das alles überhaupt noch?“

Aber trotzdem …

Trotz allem: Ich möchte den Artikel nicht mit einem Aguilera-Bashing beenden, davon haben wir ja leider mehr als genug und dies scheint beinahe zum Volkssport geworden zu sein. Klar, genannte Probleme sind nicht von der Hand zu weisen, und auch ich kann ob mancher Entscheidungen der Aguilera nur verständnislos den Kopf schütteln.

Aber man darf dabei nicht vergessen: Christina Aguilera ist Christina Aguilera. Sie ist die einzige (!) Sängerin da draußen, die es schafft, mein Inneres zu berühren, meine Gefühle beinahe perfekt musikalisch auszudrücken und deren Stimme mir das Blut in den Adern gefrieren lässt – aus Ehrfurcht und dem größten Respekt vor diesem Talent. Ich hatte bisher zweimal das Glück, Aguilera live zu erleben – und das waren nicht nur zwei herkämmliche Popkonzerte, das waren musikalische Highlights erster Güte. Die Frau hat eine Bühnenpräsenz, da können sich Perry und Rihanna noch sehr viel abschauen. Sie setzt auf eine sexy Bühnenshow, vergisst bei ihren Auftritten aber nie auf das, was sie am besten kann: das Singen. Und wenn Aguilera den Mund öffnet und einfach scheinbar ohne Anstrengung losröhrt, dann ist man gefesselt, dann wird man in eine andere Welt entführt, dann vergisst man alles rund um sich herum und ist vollkommen von dieser blonden Frau da vor einem gefangen genommen.

Aguilera hat bereits mehrmals in ihrer Karriere bewiesen, dass sie im Grunde weiß, wie sie sich vermarkten muss, währenddessen hat sie aber nie auf die Qualität ihrer Musik vergessen. Aguilera ist Performerin und Vollblut-Diva in einem, die noch dazu auf eine großartige Stimme zurückgreifen kann. Und die Gute kann wirklich alles singen. Ja, tatsächlich ALLES: Klassik, Soul, R&B, Blues, Jazz, Gospel, Pop, Retro-Pop, Latin, Swing, Country, Balladen, Rock, Musical, Dance, Hip Hop, Christmas, Elektro, natürlich a capella und sogar ein bisserl Rap. Vielleicht mag nicht jedes Genre gleich gut zu ihr passen, aber sie kann’s. Während Gaga zwar die Königin der Selbstinszenierung ist, in Wirklichkeit damit aber nur von ihren durchschnittlichen Mainstream-Liedchen ablenken will, und Adele zwar ebenfalls eine Wahnsinns-Stimme und wunderbare Songs hat, auf der Bühne aber steif wie ein Brett wirkt und Präsenz vermissen lässt, hat Aguilera das ganze Paket: Ausstrahlung, Stimme, gute Songs. Sie bringt mich zum Weinen genauso wie zum Tanzen oder zum wütenden Mitschreien. Christina Aguilera gehört zu den kreativsten Sängerinnen unserer Zeit und geht (abgesehen von „Lotus“) auf ihren Alben mehr Wagnisse ein, probiert mehr Neues aus, als man auf den ersten Blick vermuten mag. (Und, nur so als Anmerkung: „Bionic“ war schon lang vorher fertig produziert, bevor Lady Gaga die sprichwörtliche Bühne betrat. So viel zu all den Copy Cat-Theorien). Aguilera polarisiert, und genau das macht sie für mich umso interessanter.

Christina Aguilera ist vor unseren Augen erwachsen geworden, hat sich vom „Genie in a bottle“-Girlie zu eine der erfolgreichsten (in Deutschland ist sie auf Platz 17 der 30 erfolgreichsten Sängerinnen des neuen Jahrtausends!) und vor allem respektiertesten Sängerinnen entwickelt. Man mag es manchmal vergessen, aber die Aguilera hat den Maßstab von Gesangeskünsten verändert: Jedes Mädel, das bei einer Castingshow mitmacht, will so klingen und trällern können wie Christina Aguilera, versucht (vergeblich), ihre Gesangstechnik nachzuahmen. Wer an Aguileras Einfluss zweifelt, möge einfach ganz kurz mal hier nachlesen.

Ohne zu sehr als „Fan“ klingen zu wollen (okay, wahrscheinlich eh schon zu spät): Es gibt auch eine Seite von Christina Aguilera, die allzu oft (absichtlich) übersehen wird: Die Sängerin engagiert sich für zahlreiche Charity-Projekte, wurde u. a. von Hilary Clinton (!) mit dem George McGovern Leadership-Award für ihre Leistungen als Botschafter der United Nations Hunger Relief ausgezeichnet. Es ist bekannt, dass Aguilera immer wieder in Länder mit Hungersnot reist, um sich ein Bild der Situation vor Ort zu machen – und das auch mal ohne Kamera. Und vollkommen ungeschminkt. Zudem setzt sich Aguilera immer wieder für LGBTQ-Rights ein und gilt als einer der größten Ikonen unter schwulen Männern.

Und Humor hat die Gute auch noch.

Was ich zudem ehrlich behaupten kann: ich bin mit Christina Aguilera aufgewachsen, habe manche Phasen in meinem Leben mit Hilfe von Aguilera-Songs um einiges leichter überstanden, als wenn ich diese Musik nicht bei mir gehabt hätte. Keine Sängerin berührt mein Inneres so sehr, keine spricht mir derart aus der Seele, wie die Aguilera. Hinter all dem Make-up, den unpassenden Outfits und den nicht immer überlegten Aussagen sehe ich vor allem eine Performerin, eine Sängerin, die mit ihrer Stimme und ihrem Talent die Welt verändern könnte.

Und das scheint (für mich) strahlender als alles andere.

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



One Response to Christina Aguilera: Warum Talent manchmal nicht reicht

  1. Mux says:

    Da spricht mir jemand aus der Seele.
    Zum glück geht es grad aufwärts mit Christina. Zusammen mit Alejandro fernandes hat sie einen riesen hit der in Mexico mit Platin ausgezeichnet wurde und in allen Spanisch sprechenden ländern sofort die Chartspitzen erklimm. Ein Video zur single wurde auch veröffentlicht und Christina sieht wieder sclank und sexy aus. Beim Pressetermin zur fünften The Voice Staffel stand sie im Rampenlicht die Presse spielte verrückt als sieChristina sahen. Es schien alls hätte frau Aguilera die zeit auf 1999 zurück gedreht sie sieht besser aus als je zuvor. In einem rosa kleidchen braunem taint und einem natürlichen look dazu ihr schönes lächeln. Zurück ist die Sexytina, jetzt fehlt nur noch ein guter hit von ihr der Weltweit einschlägt.

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