Deadpool: Was für ein infantiler Scheiß!
Einige Gedanken dazu, wieso Deadpool der vielleicht beste Superheld aller Zeiten ist.
„Deadpool“, der Anti-Superheld mit dem Hang zur popkulturellen Referenz, bricht alle Rekorde. Bei sagenhaften 260 Mio. USD weltweit stehen gerade die Einnahmen – und das bei einem bescheidenen Produktionsbudget von 58 Mio. USD. Man darf sich ausrechnen, zu was zu einer Geldmaschine der rote Membrananzug-Typ mit der scharfen Zunge wird, ist erst mal die DVD und die Blue-Ray am Markt. Man darf durchaus sagen: Mit Deadpool hat Marvel (erneut) einen großen Wurf gelandet.
Wieso der etwas andere Superhelden-Film so erfolgreich ist, ist schnell erklärt: Deadpool ist eine geile, harte Sau und eine Anarcho-Knalltüte, wie sie im Buche steht. Man darf’s so sagen und kann’s auch und muss es vielleicht auch, weil Deadpool alias Wade Wilson würde sich selbst auch so beschreiben. Und genau das ist es, was ihn vom Rest seiner Super-Kollegen – nicht nur von den X-Men, sondern auch von Captain America, Thor und Co., ja sogar von Iron Man – unterscheidet: Deadpool kümmert sich herzlich wenig um gesellschaftliche Konventionen.
Das Konzept des Anti-Helden ist dabei natürlich nicht neu, Deadpool personifiziert es aber wie kaum ein anderer: Kaum ein Joke siedelt sich oberhalb der Gürtellinie an, Political Correctness ist für ihn nichts mehr als eine weitere, von der Gesellschaft aufgedrückte Regel, die nur dazu da ist, um gebrochen zu werden. Deadpool, obwohl zu den Guten gehörend, schießt sich seinen Weg durch die Reihen seiner Feinde, lässt Blutspuren und Gehirnmassen zurück und hat meist nur ein Ziel: nämlich sein eigenes. Natürlich hat er dabei das Herz am rechten Fleck, irgendwie, ein Held ist er ja immer noch. Irgendwie. Gute Menschen werden von ihm nicht getötet, klar, dafür aber reichlich veräppelt. Mit Warmduschern, Tree-Huggern und Weicheiern kann der taffe Kerl so gar nix anfangen. Gewalt und Sex gehen bei ihm gern mal Hand in Hand, während einer Schießerei drückt er schon mal seinen gut gepolsterten Schritt ins Gesicht seines – bald toten – Gegenübers und hat dabei so richtig Spaß. Nach einer Gewaltorgie kommt er so richtig in Stimmung: „I think I’m gonna touch myself tonight.“ Verstörend? Natürlich. Aber genau das soll die Figur des Deadpool auch sein: Irgendwo zwischen Comedy, Charakteranalyse (schließlich handelt es sich bei Wilson um einen krebskranken Mittdreißiger) und Tarantino-Style-Gewaltliebhaberei weist er nicht nur seine im Grunde oftmals allzu sehr beliebig gezeichneten Superhelden-Kollegen in die Schranken, sondern erinnert uns einmal mehr, dass Comics nicht per se für das junge Zielpublikum gemacht sind. Und dass man aus dem Medium einiges herausholen kann, hat man nur den Mut dazu, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Wege einzuschlagen.
Wirklich einzigartig macht Deadpool aber natürlich die Tatsache, dass dieser sich mehr als bewusst ist, eine Comicfigur zu sein. Immer wieder durchbricht er dabei die vierte Wand, spricht – sich seines Daseins als Comic- bzw. Filmfigur bewusst – zum lachenden und staunenden Publikum und nimmt sich, das Superhelden-Genre und gleich die gesamte gegenwärtige Popkultur ordentlich aufs Korn. Wenn im Film gleich im Vorspann (vielleicht der beste Teil des gesamten Streifens) mit ordentlicher Selbstironie Deadpool-Darsteller Ryan Reynolds (der die Vorstellung seines Lebens gibt!) samt seiner missglückten Green Lantern-Verkörperung sowie seines Sexies Man Alive-Titels durch den Kakao gezogen, im Laufe des Film immer wieder auf das geringe Budget hingewiesen und – natürlich – bissige Kommentare in Richtung des restlichen X-Men-Universums geschoben werden, dann weiß man, dass man sich gerade in einem ganz eigenen Superhelden-Universum (und gleichzeitig in einem doch so bekannten) befindet. Wenn sich Filme, Serien oder auch Comics auf eine Metaebene begeben, ist das nicht nur für Fans meist ein herrliches Vergnügen, ist das doch eine tolle Gelegenheit, sich selbst ernst und nicht-ernst zugleich zu nehmen. Dass Deadpool dies zu seinem Markenzeichen macht, ist sicherlich die größte Stärke des Franchise (auch wenn, das muss man sagen, der Film das Durchbrechen der vierten Wand ruhig mehr in den Vordergrund hätte stellen können).
Dass Deadpool eine filmische Fortsetzung bekommt, ist natürlich bereits fix. Man darf gespannt sein. Sicher ist aber bereits jetzt schon: Egal, welche Superhelden (aus der ersten oder zweiten Reihe) noch auf uns los gelassen werden – die Kreativität und Originalität von Deadpool wird so schnell keiner erreichen. Da dürfte selbst der kommende Superhelden-Giganten-Fight „Batman vs Superman“ blass aussehen.
Bilder: 20th Century Fox