Published on Dezember 2nd, 2013 | by Manuel Simbürger
0Ein Plädoyer für Country-Musik
Wenn Countrymusik ertönt, geht mein Herz auf. Weil man in einer schnelllebigen Zeit auch mal zur Ruhe kommen muss. Ein Lobgesang auf die amerikanische ländliche Musi.
Andere in meinem Alter … und … ähm … egal …, stehen auf House und Techno. Elektronik, wo und wie nur geht. Ich stehe (nicht nur, aber auch – wie das halt so ist) auf Country. Ein Tabuthema, das Aussprechen des Unaussprechlichen? Nein. Ein Tabubruch vielleicht. Aber auch nicht wirklich. Nicht mehr, seitdem auch in Österreich immer mehr junge Menschen auf Volksmusik und Schlager abfahren. Andreas Gabalier ist der heimische Justin Bieber (der aber, das muss man sagen, auf seinem aktuellen Album sehr nahe an amerikanischen Country-Sound herankommt. Der Gabalier, nicht der Bieber.), Helene Fischer die neue Lady Gaga, Andrea Berg die neue … naja, lassen wir das.
Kurz: Musik, die ihre Wurzeln ganz tief in der Heimat vergraben hat und diese auch stolz präsentiert, ist nicht mehr peinlich. Weil man die Liebe zu seinem eigenen Land wiederentdeckt hat.
Country ist nicht Volksmusik
Wobei: Countrymusik hat mit österreichischer Volksmusik bzw. Schlager so viel zu tun wie Fischer in Wirklichkeit mit Gaga. Das Paket mag vielleicht ähnlich daherkommen. Ich gebe zu: Ich bin zum einen zu wenig Schlager-orientiert, zum anderen noch (!) zu wenig lange Country-Liebhaber, um an dieser Stelle eine tiefgreifende Analyse anbieten zu können. Meinem Gefühl nach aber: Volksmusik und Schlager kommt mir viel zu kitschig, viel zu schwülstig daher. Hier wird eine heile Welt dargeboten, die sich oft selbst zu parodieren scheint. Dabei bewegen die Texte auch noch oftmals derart an der Grenze zur Lächerlichkeit, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Musikgenre (zumindest für mich) beinahe unmöglich wird. „Ich tanzte mit dir durch die Nacht, danach haben wir Liebe gemacht.“ Oder so. Danke, aber nein danke. Nicht mal, wenn’s der Gabalier Andi singt (der, das muss man schon sagen, eine bemerkenswerte Stimme und eine noch bemerkenswertere Bühnenpräsenz besitzt. Sagt auch meine Mama.).
Von Bluegrass zu Country-Rock
Nein, Country ist für mich so gar nicht das US-amerikanische Pedant zur heimischen Volksmusik. Schon allein, weil Country um einiges differenzierter daherkommt: Da gibt es den Rockabilly genauso wie den Country-Rock, den Urban Country, den Country-Pop, den New Country, den Alternative Country, den Bluegrass, den Western Swing und den Taylor Swift-Country (okay, letzteren habe ich grad erfunden). Kaum ein anderes Genre hat derart viele Höhen und Tiefen (dass ein guter Teil der Countrymusik aus Texas stammt, genauso wie George W. Bush jun., da kann die Musik nix dafür!) erlebt wie die Countrymusik, kein anderes Genre ist derart vielfältig. Country hat eben Geschichte – wie sein Land, woher es kommt. Zwar stimmt’s, die amerikanische Countrymusik hat ihre Ursprünge (Anfang des 20. Jahrhunderts) in der europäischen Volksmusik. Deshalb wurde am Anfang auch vor allem am Ländle und auf Ranches geträllert (na gut, das ist heute auch noch ein bisserl so). Aber spätestens, seitdem man in den großen Citys die Country-Klänge mit Blues und Jazz mischte – was man auch heute noch hört – wurde es richtig cool.
Wo Kerle noch Kerle sind
Und, man mag es nicht glauben: Country klingt auch tatsächlich nie gleich, auch wenn es natürlich typische Themenfelder gibt, die von Country-Artists gern besungen werden: Heimat, Familie, Liebe, Tradition, Gott, manchmal sogar wirklich die Farm und auch das Krügerl Bier, das in der Bar mit den Buddys gehoben wird. Weil man ohne Klischees halt auch nicht im Country-Genre auskommt. Und trotzdem ist es eine angenehme Abwechslung zwischen all dem hysterischen Gekreische und der lauten Inszenierung der Gagas und Katys.
Ja, der Country ist eher in der konservativen Ecke angesiedelt. Und ja, ich hab’s eigentlich so gar nicht mit konservativ. Und trotzdem: irgendwas ist da, was mich bei Countrysongs berührt, was mir beim Hören das Herz aufgehen lässt, das mich meine Seele spüren lässt. Vielleicht liegt’s an den überraschend sexy Künstlern wie allen voran Carrie Underwood, Brad Paisley und – noch mehr allen voran – Luke Bryan, die mit ihrem Cowboy/Cowgirl-Style in Sachen Sexyness exzentrischen Pop-KollegInnen wie Miley Cyrus, Lady Gaga, Rihanna oder Robbie Williams nicht nur das Wasser reichen können, sondern ihnen oftmals auch um Nasenlängen (hihi) voraus sind. Da sind Kerle noch Kerle, die nichts mehr brauchen als ihre Gitarre, eine Flasche Whiskey und ihre ach so tiefe und vibrierende Bass-Stimme. Wenn der Lonesome Cowboy dann über sein gebrochenes Herz trällert, dann, ja dann, ist’s um einen geschehen. Und man macht sich sofort auf zum nächsten Bauernhof.
Balance zwischen Verruchtheit und Idylle
Vielleicht liegt’s aber vielmehr auch an der geerdeten und bodenständigen Aura, die die Countrymusik umgibt und die einen ein Gefühl der Ruhe und der Sicherheit vermittelt – in einer Welt, die sich immer und immer schneller dreht. Man konzentriert sich beim Country auf traditionelle Werte, erinnert sich, woher man stammt und warum man auf der Welt ist – und ist gleichzeitig aber auch so aufgeschlossen, dass man positiv in die Zukunft blickt. In eine Zukunft, in der man gut aufgehoben ist, egal wer man ist und wie man lebt. Das mag wiederum nur eine heile vorgespielte Welt sein. Und doch: Country-Musik ist eine Konstante, die die Balance, den schmalen Grat zwischen Verruchtheit und Idylle schafft. Womit wir wieder bei den Einflüssen von Blues und Jazz wären.
Ich bin kein Country-Experte. Was ich aber weiß, ist, dass ich mich von der Rest der Welt abgrenze, wenn mein iPod die neuesten Songs von Blake Shelton, Lady Antebellum, Brad Paisley, Carrie Underwood, Luke Bryan, Chris Cagle, Dierks Bentley oder einfach nur diesen Song (sorry, aber die Taylor Swift, die geht für mich einfach nicht!) spielt und ich durch die lauten und hektischen Straßen Wiens eile. Ein Rückzugsort, inmitten der Menschenmenge. Ein In-Sich-Kehren, ein Nachdenken darüber, was im Leben wirklich wichtig ist (und auch, wenn das nur mal das Krügerl Bier ist). Aber auch mal wütend auf den Tisch hauen und lässig das Tanzbein schwingen. Sich selbst und die Welt besser kennen lernen. Erwachsenwerden (muss ja auch mal sein). All das ist Countrymusik für mich.
Und wer weiß, vielleicht sitze ich im hohen Alter wirklich mal auf einer Veranda einer verlassenen Ranch, mit Strohhut am Haupt, mein weidendes Pferd beobachtend. Laut Dolly und Co. soll das ja ganz nett sein.