TV unknown-1

Published on Dezember 12th, 2016 | by Manuel Simbürger

0

Gilmore Girls: Let’s talk about these last 4 words!

Seit Tagen spricht das Internet von nichts anderem mehr: Die berüchtigten vier Worte, die den Abschluss der „Gilmore Girls“-Saga, die uns so viel Wärme und Wohlgefühle beschert hat, sind endlich enthüllt. Es sind jene Worte, die Serienmama Amy Sherman-Palladino von Anfang an geplant hatte, die jedoch nach ihrem Ausstieg nach der sechsten Staffel im Sand verliefen.

gilmore-girls-a-year-the-life-205213

Nun wissen wir sie also, denn Palladino, die hat mit ihrem Ehemann ja alles getan, um dem Revival „Gilmore Girls: A year in the life“ den alten, geliebten Gilmore-Touch zu verleihen und all jene Ideen zu verwirklichen, die ihr schon seit so vielen Jahren im Kopf herumschwirren. Hat nicht so ganz geklappt. Beim Ende aber – und ja, mit dieser Meinung befinde ich mich absolut in der Minderheit – wurde sehr, sehr viel richtig gemacht. Während das gesamte Revival eher ein fahles „War’s das?“-Gefühl hinterlässt und über Strecken sogar mit Langeweile zu kämpfen hatte, so hat es das Ende so richtig in sich. Schafft es, was die besten Serienfinale gemein haben: Man diskutiert über sie, denkt noch lange darüber nach, spinnt Theorien – kurz: es weckt Emotionen, seien es auch negative, die noch lange nachklingen und dafür sorgen, dass man die Serie so schnell nicht vergessen wird. Auch in der Serienwelt gilt das, was in der Kunst im Allgemeinen gilt: Interessant und erfolgreich ist am Ende nur das, was polarisiert. Und wer, ja wer hätte sich gedacht, dass die Harmonie-Serie „Gilmore Girls“, immerhin so etwas die „The Waltons“ des neuen Jahrtausends („Seventh Heaven“ hat sich dafür aus bekannten Gründen ja selbst disqualifiziert), mal so sehr das Netz auf Trab halten, so sehr polarisieren würde? Na, ich zumindest nicht.

„Mom. I’m pregnant.“

Dass die letzten vier Worte sich um die Beziehung zwischen Lorelai und Rory drehen würde, das war anzunehmen. Vielleicht wären sie auch an Luke gerichtet gewesen, Lorelais wahre Liebe, das wäre auch okay gewesen, hätte aber der Natur der Serie, die familiäre Werte in den Mittelpunt stellt, nicht so ganz entsprochen. Ich selbst, ganz naiv und wohl wenig kreativ, hätte mit Worten wie „Mom, I love you“ gerechnet. Aber seien wir ehrlich: Das hätte uns ein Lächeln auf die Lippen gezaubert, aber eine Woche später hätte kein Hahn mehr danach gekräht.

Gilmore Girls

Aber Rory und schwanger?! BUMM! PENG! Das hat wohl keiner erwartet, nicht zuletzt auch deshalb, da Rory in den vergangenen Episoden planlos durch die Welt wackelte, strauchelte und ganz einfach ihren Platz in der Welt verloren zu haben schien. Ihre schlechtesten Charakterzüge kamen zum Vorschein, und irgendwann hatte sie selbst bei den loyalsten Fans beinahe sämtliche Sympathiewerte verspielt. Auch gab es bis zur allerletzten Sekunde kein Anzeichen, das Rory ein Lebewesen unter dem Herzen trug. Rückblickend, mit der schockierenden Wahrheit vor Augen, macht nun so manches aber mehr Sinn, bekommt das eine oder andere Erlebnis aus Rorys Leben mehr Bedeutung und mehr Gewicht: Wir verstehen plötzlich, wieso sie ihrem Vater einen Besuch abstattete, wieso sie so sehr daran interessiert war, in Erfahrung zu bringen, wie es für ihn war, als Lorelai sich entschloss, die gemeinsame Tochter ohne seine Hilfe aufzuziehen. Auch Rorys Buch macht plötzlich noch mehr Sinn, bekommt die Story mit ihr als Mama-in-spe doch eine zusätzliche Tiefe. Die dramatisch-theatralische Verabschiedung von Logan war ebenfalls nötig, um auch mit diesem Teil ihres Lebens – sichtlich einer, der Rory zwar viele Vorteile brachte, ihr seelisch aber niemals gut tat – abzuschließen. Sogar der Zwei-Minuten-Auftritt von Dean erhält plötzlich große Relevanz: Uns und nicht zuletzt Rory wurde klar gemacht, dass hier keine Gefühle mehr im Spiel sind. Keine Chemie mehr zu spüren ist. Dass die erste Liebe genau das ist: Die erste Liebe.

giphy

Dass Rory also kein closure gegönnt ist, wie viele Fans nun kritisieren, stimmt so also nicht. Viel mehr ist hier die Wut zu spüren, dass wir Zuseher auf sehr viele Antworten keine Fragen bekommen haben. Immer noch geht das Großteil des Publikums davon aus, dass alle roten Fäden in einem Serienfinale aufgelöst werden, sich zu einem großen Ganzen verbinden MÜSSEN. Das ist zwar oftmals tatsächlich befriedigend und in manchen Fällen, wenn von Beginn an auf ein bestimmtes Serienfinale hingearbeitet wird, auch nötig (hello, HIMYM!), so ist es allerdings kein Gesetz. Mit offenen Enden, Cliffhangern, gar einem deprimierendem Ende gibt die jeweilige Serie noch ein allerletztes Mal ein gehöriges Lebenszeichen von sich, bevor sie für immer die televisionären Augen schließt. Und wie das mit jedem Tod so ist: Ja, das kann frustrierend sein und einem mit einem unvollendeten Gefühl zurücklassen. Ja sogar Wut und Frustration hervorrufen, weil einem das verwehrt wurde, was man sich so sehr wünschte. So sehr brauchte, vielleicht sogar.

Wenn sich der Kreis schließt

Ja, „Gilmore Girls: A year in the life“ lässt uns mit vielen unbeantworten Fragen zurück: Wer ist der Vater von Rorys Baby? Wird sie das Baby behalten? Wie ist Lorelais Reaktion auf diese Enthüllung? Klar, auch ich brenne, diese Antworten zu erfahren. Aber im Grunde geht es bei diesem Ende nicht darum, Antworten zu finden oder geliefert zu bekommen. Im Grunde geht es darum, welchen Weg Rory beschreiten wird, geht es darum, den Kreis in der Gilmore-Welt zu schließen – denn genau darum, das Wiederholen der Vergangenheit, das Einholen der eigenen Vergangenheit, die Lebenskreisläufe waren immer ein (subtextueller) roter Faden innerhalb der Serie.

Mit dem „Mom, I’m pregnant“-Finale ist „Gilmore Girls“ dieser full circle geglückt: Rory ist nun in exakt jenem Alter wie Loreley, als wir sie in der ersten Staffel kennenlernten. Ja, Rory ist nun keine Teenage-Mum mehr (etwas, das Palladino wohl ursprünglich geplant hatte), weshalb sich auch die Geschichte von Lorelai in genau diesem Maße so nicht wiederholen wird. Aber abgesehen davon, dass sich Rory benimmt wie ein Twentysomething: Auch sie ist, wie Lorelai, eine alleinerziehende Mutter, ohne exakte berufliche Perspektive, ohne genügend finanzielle Mittel (was streng genommen nicht stimmt, Rory aber felsenfest zu glauben scheint). Es scheint alles darauf hinzuweisen, dass Logan der Vater ist – und auch, wenn dies vielleicht sehr offensichtlich sein sollte, so passt es doch perfekt ins Bild: Logan ist Rorys Christopher (beide entstammen einer wohlhabenden Familie, sind impulsiv, nehmen es mit der Moral nicht immer ganz so genau, sind aber verführerisch und versprechen ihrer Herzensdame, die Sterne vom Himmel zu holen), Jess scheint ihr Luke zu sein (ihr Seelenverwandter, der bodenständige Outsider, der dieselben Interessen wie Rory teilt, der sie versteht wie kein anderer und der ihr das gibt, was sie braucht – nicht das, was sie will). Das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter ist bei Rory zwar nicht gegeben, diesen Part würde nach wie vor Emily einnehmen – und es ist anzunehmen, dass auch Rory, wie ihre Mutter damals, von der finanziellen Unterstützung von Emily abhängig sein wird. Dass diese von ihren Forderungen auch nach all den Jahren nicht abgekommen ist, hat man in der finalen Folge bei ihrem „Vertrag“ mit Lorelai und Luke gesehen. Wird Rory eine ähnliche Mutter wie Lorelai werden? Wie wird die Schwangerschaft ihr Leben verändern? Oder entschließt sie gar, das Baby nicht zu behalten – eine Möglichkeit, die laut Sherman-Palladino zumindest nicht gänzlich unmöglich ist. Wie auch immer all diese Antworten lauten mögen: Die Serie lässt uns mit einem durstenden Gefühl nach einer Fortsetzung zurück. Und genau das unterscheidet ein gutes von einem schlechtem Serienfinale.

landscape-1468838989-gilmore-girls

Daddy Issues

Natürlich stellen wir uns dieser Tage alle die Frage: Wer ist denn nun der Vater von Rorys Baby? Sehen wir uns mal die Möglichkeiten genauer an:

Logan: Aus jetziger Sicht die wahrscheinlichste, weil offensichtlichste Auflösung. Oder gar zu offensichtlich? Mit Logan verband Rory eine monate-, wenn nicht sogar jahrelange Affäre, zwischen ihnen ist ein Band, das vielleicht nicht andere, auf jeden Fall die beiden verstehen. Logan stammt aus einer wohl situierten Familie, seinem Vater wird Rory wahrscheinlich sogar ihren zukünftigen Job bei GQ zu verdanken haben – und das, obwohl Logans Familie Rory nie akzeptiert hat. Und dann gibt’s da schließlich auch noch Logans Verlobte … Zündstoff also en masse!

rory-gilmore-and-logan-huntzberger

Dean: Ähm … nein. Die beiden haben sich nach vielen Jahren das erste Mal wieder gesehen – und das nur für wenige Minuten. Nicht nur, dass zwischen den beiden gar keine Chemie mehr zu spüren war, so ist Dean auch nicht (mehr) jene Art von Typ, der seine brave Freundin daheim betrügt. Und wann hätten Rory und er sich denn vergnügen sollen? Natürlich: Dean als Vater von Rorys Baby würde ebenso den Kreis schließen, ist aber äußerst unwahrscheinlich. Und langweilig. Wie Dean – sorry – irgendwie schon immer war.

rory-dean-c028912c-566a-493b-9690-dd514d6298ea

Jess: Möglich. Zwar hatten die beiden keine romantische Szene miteinander und wieso Jess überhaupt da war, weiß eigentlich keiner so genau (bis jetzt?), aber eine Verbindung zwischen den beiden ist immer noch zu spüren. Jess scheint immer noch romantische Gefühle für Rory zu hegen, und auch ist es er, der sie wieder auf den richtigen (beruflichen) Pfad lenkt. Er scheint ihr Seelenverwandter zu sein, noch dazu der Neffe von ihrem Stief-Papa – es würde also alles irgendwie, irgendwo in der Familie bleiben. Und Familie, das wissen wir, wird bei „Gilmore Girls“ groß geschrieben. Und irgendwie hat sich das Ganze gerade eben sehr inzestiös angehört. Anyway: Die beiden hätten also eine gemeinsame Nacht zusammen verbringen müssen, was, bedenkt man deren Vergangenheit, ein einschneidendes Erlebnis für beide gewesen wäre. Nicht nur, dass Rory und auch Jess sehr gefasst im gegenseitigem Umgang wirkten, darf auch bezweifelt werden, ob uns so ein monumentaler Hook-up offscreen stattfinden und uns Fans so vorenthalten werden würde? Anderseits: Da war doch diese Umarmung von Rory in der letzten gemeinsamen Szene der beiden, die verdächtig vertraut und noch mehr verdächtig fast zu beiläufig geschah  - und natürlich Jess’ sehnsüchtiger Blick, den er Rory unbemerkt zuwarf …

rs_1024x759-160303133545-1024-gilmoregirls-rory-jess-snowing

Wookie-Guy: Ja, Rory hatte einen One-Night-Stand mit einem ihrer Informanten. Weil der als Wookie verkleidet war und auch beim Sex anscheinend drauf (be-)stand, das Kostüm anzubehalten, wissen weder wir noch Rory selbst, wer dieser Typ eigentlich ist. Dass sie Lorelai davon jedoch erzählt, dass Lorelai – immerhin ihre Mutter – sogar wissen möchte, ob er das Kostüm die ganze Zeit anbehielt, ist schon sehr auffällig. Es scheint fast so, als wolle man uns Fans verdeutlichen, dass es da jemand gibt, dessen Identität unbekannt ist, der aber so unwichtig dann doch nicht ist. Oder sollen wir das nur denken? Ach, all diese Verschwörungstheorien. Und würde Rory bei einem One-Night-Stand nicht für Verhütung sorgen? Die damalige Rory sicher – aber wer ist die junge Frau, die wir im Revival erlebt haben?!

Leihmutterschaft: Diese Theorie wurde von einem eifrigen Fan im Netz aufgestellt – und ehrlich, sie klingt nicht unlogisch. Wer sagt, dass Rory auf natürlichem Wege schwanger geworden ist? Man darf nicht vergessen, dass Paris Rorys beste Freundin ist – und Rory unter Geldsorgen leidet. Zudem würde die ganze Leihmutterschaft-Story, die mehr als fremd in der Serie wirkte, nun endlich einen Sinn ergeben. Und was … ja was, wenn Rory sogar Lorelais Baby austragen würde?! Dann bekämen die letzten vier Wörter tatsächlich nochmals eine vollkommen andere (und einmal mehr inzestiöse) Bedeutung. Und im Internet würde wohl die Apokalypse ausbrechen.

phte2w77k02qbwe

Paul: Sorry … who?!

Bilder: (c) Netflix, Warnerbros. 

Tags: , , , , , , ,


About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *


7 − eins =

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>

Back to Top ↑

Lesen Sie den vorherigen Eintrag:
unknown
Gilmore Girls: Heimkommen mit Hindernissen

Ein Zusammentreffen mit den berüchtigten Gilmore Girls ist immer so etwas wie ein Nachhause-Kommen, das Zurückkehren in das wohlige Nest,...

Schließen