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Published on August 29th, 2013 | by Manuel Simbürger

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Imagewechsel: The New Christina Aguilera



Imagewechsel auf der Überholspur: Wie Christina Aguilera ihre Fans zurückerobern möchte

Xtina hat wahrscheinlich meinen Artikel gelesen. Ganz sicher. Weil vor wenigen Tagen habe ich noch geschrieben, dass die Aguilera so einiges falsch gemacht hat in der Karriere und trotz legendärem Talent nicht mehr in den Charts mitmischt. Eine besonders große Baustelle in der “Aguilera-Welt”: Sie hat ihren Kontakt mit den Fans verloren, macht weder Promotion für ihre Alben und Singles noch lässt sie ihre Fans wissen, dass sie deren Zuneigung zu schätzen weiß (man kann ja wenigstens so tun).

“I love my fans deeply”

Und jetzt? Irgendein Schalter scheint sich im schönen Köfpchen der Sängerin umgelegt zu haben. Denn heute veröffentlichte sie einen offenen (und sehr ausführlichen) Brief auf ihrer offziellen Webseite. Empfänger: all die Fighters da draußen, sprich: Aguilera-Fans (jaja, die nennen sich seit einiger Zeit so. Wie es eben die “Little Monsters” gibt oder die “Trekkies”. Ich find’s cool).

Das, was Britney, Beyonce und allen voran Gaga schon seit Jahren selbstverständlich tun, ist für Aguilera ein großer Schritt: sich mit offenen Worten an ihre Fans zu richten. Die als unnahbare Diva berüchtigte Sängerin ist nicht gerade bekannt dafür, außerhalb ihrer Songs ihr Inneres nach außen zu kehren und einfach mal das Mädel von nebenan zu sein.

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Aguileras 730 (!) Zeilen-langer Brief ist natürlich immer noch kein Tagebucheintrag. Aber er gibt Einblicke in Aguileras Seelenleben, ihrer Karriere und dem Musikbiz – das sie überraschend offen kritisiert:

“Greatness and quality speaks for itself. I never feel the need to defend my own work or myself. Or my purpose behind it. Feeling good about knowing we’re making the right decisions for ourselves, giving our best in all we do and can do, within the moment. The most important judge of that, can only be yourself. Music for me at its core, lives in a place rooted in an existence all of its own. It’s an extension of someone’s inner raw emotion and imagination. An honest and brave place of self-expression and connection to who they are as an individual. It can be a form of escape, an outlet for an emotion…and a place where we can all come together and connect as one. It provides a kind of home in one way or another for us. That’s the beauty of it. It’s why we’re drawn in and inspired by it in the first place. It’s easy over time to get sucked into the mental “business aspect” of it all and sad that we sometimes forget the true purpose and nature of it to begin with. Music and an artist’s truth & identity cannot be defined on a chart or a ‘review’ or with an award. So don’t be disappointed or think in vain if things like that don’t happen. It’s good to care, but being rewarded by material things, isn’t why I remain in this business. Money and fame have never been the sole driving force of motivation for me to achieve what I have. It’s the love of creating, expressing & connecting with myself and others alike through music that has always spoke to my passion and drive to be in this business.”

Ihre Worte im Brief richten sich vor allem an jene, die mit persönlichen Entscheidungen hadern und nicht Eins sind mit ihrem Selbst.

“Be fearless in owning who you are. No matter what. You have to put yourself out there and take risks. Sink or swim. You have to give things a try. Provoke thought. Speak from your heart. Live in the moment. Experience and discover the growth within yourself that challenges in life gives you. And appreciate that gift that’s only given through times of struggle and hardship. Be patient. And good to yourself.”

Vor allem aber – festhalten! – gibt Aguilera (das erste Mal in ihrer Karriere?) zu, etwas falsch gemacht zu haben. Zwar vorsichtig, aber doch deutet sie an, manchmal zu verschlossen zu sein und den Fans ihre Dankbarkeit nicht oft genug zu zeigen. Immer wieder betont Aguilera in ihrem Brief, wie viel ihr ihre Fans bedeuten.

“Thank you for filling my soul with melody and song…lyrics and love…and giving me a safe place I feel comforted in being brave enough to always bare my soul and come from an honest and genuine place. It does my heart proud to have such spirited, passionate people in my corner and for so long. 
We stand the test of time.
We brave every storm and overcome.
You with me.
We are one as a team.
I love my fans deeply. And will remind you more often. ;)”

Selbstkritik von La Aguilera? Wow! Ein Meilenstein in ihrer Karriere, der diesmal nichts mit Charts, Make-up oder Töne-Treffen zu tun hat.

Let there be love

Natürlich: Wirklich viel Neues verrät Aguilera in ihrem Brief nicht. Dass sie sich dem Mainstream nur bedingt anpassen möchte, sie sich in ihrem Körper wohlfühlt und dafür einsteht, dass jeder so sein darf, wie er ist, ist wohlbekannt. Trotzdem: Die Geste zählt. Persönliche Worte an ihre Fans. Yes!

Aber das war’s noch nicht: Einige Stunden nach dem Brief veröffentlichte Aguilera (wieder völlig überraschend – und diesen Effekt auch nutzend) ein Video, das mit ihrem Song “Let there be love” unterlegt ist – und sich erneut an ihre Fans widmet. Und das Video kommt sogar mehr an als die geschriebenen Worte. Aguilera zeigt im Video Menschen wie Du und Ich verschiedenen Alters, verschiedener Kulturen und verschiedener sexueller Orientierung. Sie kämpft darin gegen Diskriminierung, Hass und Vorurteile. Erinnerungen an “Beautiful” werden wach. Dazwischen eine Aguilera in erfrischend natürlichem Look (und für einige Sekunden sogar vollkommen ohne Make-up – schaut’s, wie fesch die Gute is!), die Einblicke in ihr Leben gibt, sich aber wohltuend zurück hält und ihren Fans den Vortritt gibt – und sich somit erfolgreich Streetcredibility verleiht.

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Endlich!

Gute Promotion

Dass Brief und Video aus reiner Nächstenliebe veröffentlicht wurden, ist natürlich äußerst naiv gedacht. Zum einen kritisieren Fans schon länger die fehlende Promo seitens Aguilera und dass ihnen die Sängerin “einfach nichts zurückgibt”. Diese Kritik und die Flops ihrer Alben “Bionic” und “Lotus” dürften sogar an Aguilera nicht spurlos vorbei gegangen sein.

Zum anderen startet dieser Tage die fünfte Staffel von Aguileras Hit-Show “The Voice”, in der die Sängerin nach einer Staffel Pause wieder in den Juroren-Sessel zurückkehrt. Da kommt gute Promo also auch ganz gut.

Justice for Bionic

Vor allem aber: Lady Gaga ist grad mittendrin in ihrem Pop-Comeback, ihr Album “Artpop” erscheint am 11. September. So richtig rund rennt’s für die Lady aber nicht: Ihre Vorab-Single “Applause” bleibt in den Charts hinter den Erwartungen zurück (kein Wunder, ein Burner ist der Song nicht gerade), auch die kommende Single “Swine”, von der man bisher nur Ausschnitte kennt, wurde im Netz zerrissen. Zudem gab Ex-Gaga-BFF und Starblogger Perez Hilton öffentlich zu, dass Gaga ihn zu Beginn ihrer Karriere dazu (erfolgreich) anstachelte, die Karrieren von Sängerinnen wie Katy Perry und allen voran Christina Aguilera (die gerade ihr Album “Bionic” am Start hatte) zu sabotieren – war Aguilera damals doch Gagas schärfste Konkurrentin. Also disste Hilton Aguilera, was das Zeug hielt (was er jetzt übrigens bei Gaga tut. Naja.).

Seitdem bricht ein Shit Storm über Gaga herein und Aguilera hat die Symptahien auf ihrer Seite, wird der “Bionic”-Flop nun doch Gaga angehaftet. Weshalb seit einigen Tagen das Projekt “The Bionic Project” im Netz kursiert, das von Aguilera-Fans gestartet wurde und unter dem Motto “Justice for Bionic” zum Ziel hat, das Album wieder zurück in die Charts zu hieven. Mit großer Resonanz.

Aguilera hat sich – zur Überraschung vieler – noch nicht zur “Gaga-Sache” geäußert, nutzt aber deren Karriereflaute und wehrt sich mit sehr viel effektiveren und taktisch klügeren Waffen: Plötzlich präsentiert sich Aguilera als Star zum Anfassen, als talentierte, süße, aber trotzdem sexy Diva, die die Welt besser machen möchte – und schlägt so Gaga mit ihren eigenen Waffen. “Let there be love” (ein durchaus fetziger Clubsong) scheint ihr neues Motto zu sein, die Aguilera will Liebe in der Welt verbreiten. Das mit Daumen und Zeigefinger gezeigte “L” für “Love” soll das neue Symbol der “Fighters” werden (und erinnert vielleicht nicht ganz zufällig an das erfolgreiche “Glee”-Logo).

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Nettigkeit zahlt sich aus

Der Imagewechsel zur Diva zum Anfassen hat aber schon vor dem Brief und dem Video begonnen. Zur Pressekonferenz der fünften “The Voice”-Season präsentierte sich Aguilera schlank wie eh und je mit dezentem Make-up und pinkem Kleidchen. “Genie in a bottle is back!” riefen viele – und das nicht zu Unrecht, erinnerte Aguilera doch frappant an ihre (höchst erfolgreichen) Karriereanfänge Ende der 1990er. Auch auf den Promopics zu “The Voice Season 5″ ist statt “glamouröser Styling-Pannen-Diva” eher “sympathisches Mädchen mit Modegeschmack” angesagt. Natürlichkeit statt (der so stark kritisierten) Hochnäsigkeit.

Download

Und prompt wird Aguilera sogar wieder von ihrer Plattenfirma RCA Records, mit der sie immer wieder im Clinch liegt, unterstützt. Nettigkeit zahlt sich also tatsächlich aus.

Auch charts-technisch lief’s für Aguilera schon mal schlechter: Ihr Power-Duett “Hoy Tengo Ganas De Ti” mit Alejandro Fernandez ist in 17 Ländern auf Platz 1 der Charts (wenn auch “nur” in den Latino-Charts). Auch Kritiker lieben den Song (ja, sowas gibt’s auch!).

“I didn’t know I could love her more than what I already did”

Klingt alles vielversprechend und man darf gespannt sein, welchen neuen (Image-) Weg Aguilera nun endgültig einschlägt. Vielleicht keine neue Kunstfigur, sondern einfach nur mal sie selbst. Als eine von uns. Das wäre der bisher wohl mutigste Schritt in ihrer Karriere.

Natürlich stecken hinter Fanbrief und Fanvideo karrieretechnische Gründe; ich bezweifle trotzdem, dass die Worte nur leere Hüllen sind, da sie das wiedergeben, wofür Aguilera und ihre Musik seit dem Album “Stripped” steht. Aguilera scheint sich bewusst geworden zu sein, dass sie einen falschen Weg eingeschlagen hat, und will es nun wieder richtig machen. Geben wir ihr eine zweite Chance. Gerade solch ein Talent hat es verdient. Und hey – das Video ist doch echt cool geworden!

Die Fans jedenfalls sind von der “neuen Xtina” schon hellauf begeistert. “You are my Queen!”, “I love you so much!” und ” I didn’t know I could love her more than what I already did” sind nur einige Reaktionen auf Aguileras Hand-Ausstrecken. Binnen kürzester Zeit stellten Aguilera-Fans ihr ganz persönliches “Let there be love”-Pic ins Netz. Aguilera scheint hier ein Internet-Movement starten zu wollen  - und es scheint, als sei ihr dies gelungen. Im Social Network-Zeitalter nicht unbedingt das Schlechteste für die Karriere.

So viel Positives hat man im Netz über Christina Aguilera schon lange nicht mehr gelesen. Wäre schön, wenn dieser Trend anhält.

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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