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Published on März 27th, 2017 | by Manuel Simbürger

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It’s Morphin Time … again!

Heute habe ich eine Reise in meine Kindheit unternommen. Nein, mehr noch: Heute ist ein großer Teil meiner Kindheit wieder zum Leben erweckt worden. Heute feierte mein inneres Nerd-Kind Geburtstag, Ostern und Weihnachten zugleich. Und heute habe ich wohl das erste (und letzte?) Mal bei einem Popcorn-Superhelden-Movie ein paar Tränchen der Freude vergossen.

Denn heute habe ich mir endlich den neuen „Power Rangers“-Kinofilm angesehen.

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Hommage und Neuinterpretation zugleich

In den 1990ern waren die „Mighty Morphin Power Rangers“ die wohl beliebtesten Superhelden rund um den Globus, kein Kinder- und Teeniezimmer (und keine elterliche Geldbörse) war vor den kunterbunten Karate-Experten und vorm Morphin-Merchandise-Wahnsinn sicher. Aber, so ehrlich muss man sein: Die Serie war im Grunde ziemlich schlecht. Seichte Handlung, die immer gleichen Plots, keine Charaktertiefe, sehr schlechte Special Effects. Der „Eine für alle, alle für einen“-Grundplot, der der Serie zugrunde lag, sprach natürlich einen (ohnehin leicht zu beeindruckenden) Achtjährigen an, aber besonders originell war er im Grunde nicht – auch, weil letztlich doch Gewalt ziemlich verherrlicht und als Lösung für so ziemlich alles präsentiert wurde.

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Der aktuelle „Power Rangers“-Reboot schafft es, die Schwächen der Originalserie auszumerzen, ohne ihm dabei fremd zu werden. „Power Rangers“ vergisst in keiner Sekunde, welchem Kult-Franchise er seine pure Existenz zu verdanken hat, interpretiert die Story rund um „teenagers with attitude“ aber neu: Allen voran düsterer und erwachsener kommt der Film daher – und schon allein deswegen übt „Power Rangers“ eine gewisse Anziehung aus: Es macht einfach Spaß, Geschichten, die eigentlich für Kinder gedacht sind, einer „erwachsenen Interpretation“ zu unterziehen und dabei zu entdecken, dass das Kindliche im Original oftmals gar nicht so kindlich, sondern ziemlich brutal ist. Vor allem aber werden so Plotlöcher endlich nicht nur aufgedeckt, sondern auch gestopft: Im neuen Streifen macht sich der Ranger-Guru Zordon (der digitalisierte Bryan “Breaking Bad” Cranston!) endlich Gedanken darüber, ob es eigentlich okay ist, fünf Teenager zu Kriegern auszubilden, die nicht weniger als die Verantwortung der gesamten Erde auf ihren Schultern tragen. Und dass es gar nicht so einfach ist, einen Megaroboter zu steuern und wie das eigentlich wirklich funktioniert, das spricht der Film auf recht humorvolle Weise auch noch an.

Die Schwächen und unlogischen Feinheiten der Mutterserie zu korrigieren – damit gibt sich „Power Rangers“ aber nicht zufrieden: Vielmehr hebt er die gesamte Grundstory auf eine höhere Ebene, beantwortet endlich offene Fragen und gibt dem Franchise damit einen tafferen und dreidimensionalen Anstrich, der dem Original schlicht fehlte: Rita Repulsa entpuppt sich als der ursprüngliche Green Ranger und als ehemalige Verbündete von Zordon – wiederum der originale Red Ranger. Ritas Versuche, die Erde zu zerstören, sind auch endlich nachvollziehbarer – und vor allem kann man die Alien-Hexe nun endlich ernst nehmen: Anstatt Zauberhut und Madonna-Eisstanitzl-BH kommt sie nun als furchterregender, angsteinflößender, aber doch sexy Mix aus SM-Braut, Alien und X-Men daher, was der Geschichte die nötige Spannung und den nötigen Grusel-Touch verleiht. Elizabeth Banks hat sichtlich Spaß dabei, vollkommen durchgeknallt fünf Teenies zu terrorisieren, einen Goldjungen (Goldar is back!) zu erschaffen und sich inmitten der Apokalypse genüsslich einen Doughnut zu genehmigen. Dabei schafft sie es, ihre Rita stets an der schmalen Grenze zwischen Alptraum und Karikatur wandeln zu lassen: Die ersten Szenen mit Rita sind furchteinflößender als alle „The Ring“-Filme zusammen und lassen sogar ein „X-Files“-Feeling aufkommen.

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Freundschaft statt Fäuste

Überhaupt konzentriert sich der Film sehr stark darauf, seinen Charakteren mehr Tiefe zu verleihen – etwas, das der Originalserie stets nur in Abstrichen gelang: Wir erfahren nicht nur einiges über den familiären Background der fünf Helden, Jason, Kimberly und Co. werden – ganz im Trend der modernen Anti-Helden – als Teenager präsentiert, die zwar ihr Herz am rechten Fleck haben, die aber doch recht weit vom richtigen Weg abgekommen sind: Jason ist zwar Football-Star und der feuchte Traum aller Highschool-Mädels, hat aber schwerwiegende Autoritätsprobleme und gerät immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz. Der extrovertierte Zack zieht sein Ding ohne Rücksicht auf Verluste durch und die schweigsame Trini ist nun das mysteriöse neue Mädel an der Schule, das keiner so richtig einordnen kann und die, so scheint es, sich obendrein dem eigenen Geschlecht hingezogen fühlt, was sie für sich selbst noch nicht so ganz einordnen kann. Kimberly ist jener Charakter, der dem Original am nächsten ist: die oberflächliche und gemeine Ex-Cheerleaderin, die gern mal Nacktbilder von anderen Mädels verbreitet. Eine interessante und die gelungenste Neuinterpretation ist dagegen Billy: Schon in der Originalserie ein super-intelligenter Technikfreak, der mit komplexen Formeln besser umgehen kann als mit zwischenmenschlichen Beziehungen, ist der Blue Ranger nun ein (dunkelhäutiger) liebenswerter Autist, der noch dazu seinem toten Vater nachtrauert. Statt sich in ihrer Freizeit Charity-Events zu widmen, wie sie es in der Mutterserie taten, lernen sich Jason und Co. nun beim Nachsitzen kennen. „Breakfast Club“ lässt grüßen. Apropos: Einen rundum gelungenen Soundtrack gibt’s übrigens auch bei den „Power Rangers“.

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Gab sich die Mutterserie also noch mit (mehr oder weniger) fetzigen Kampfszenen zufrieden, stellt der neue Kinofilm die Charaktere und das Motto “Freundschaft statt Fäuste”  in den Mittelpunkt (in einer Szene fragt Zack: “What then? Are we Power Rangers or friends?”) und verwendet den Großteil seiner Laufzeit damit, die Figuren vorzustellen und sie überhaupt erst mal zu Helden werden zu lassen. Klar, ein wenig mehr Screentime von Jason und seinem Team in den (zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftigen) Ranger-Rüstungen wäre wünschenswert gewesen, so aber schafft es der Film immerhin, das Motto “Freundschaft statt Fäuste” stärker als das Original in den Mittelpunkt zu stellen und uns die Charaktere, die sich ihren Superhelden-Status erst hart erarbeiten müssen, tatsächlich ans Herz wachsen zu lassen – was auch der tollen Performance der jungen Darsteller geschuldet ist (Kudos allen voran an Naomi Scott und RJ Cyler!). Hier ist sicherlich der eine oder andere Topstar von morgen dabei.

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Cheesy und ein bisserl trashig – gut so!

Bei all den Neuinterpretationen ist „Power Rangers“ aber doch eine Hommage an das Franchise geworden, immer wieder wird – mehr oder weniger deutlich – dem Original gehuldigt (u.a. darf Rita „Lass mein Monster wachsen!“ brüllen, den Rangers-Ehrenkodex wird von Zordon originalgetreu wiedergegeben und Naomi Scott alias Kimberly sieht Amy Jo Johnson nicht nur zum Verwechseln ähnlich, sondern sie scheint sich auch deren Gestik und Mimik genauestens abgeschaut zu haben). Wenn dann sogar das „Go Go Power Rangers“-Theme auf der Leinwand ertönt, wenn die Zords in den Kampf ziehen, und sich am Ende sogar zwei bekannte Gesichter unter den geretteten Angel Crove-Bewohnern sind, verdrückt man durchaus die eine oder andere nostalgische Träne.

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Ja, besonders der Kampf mit den Zords ist kitschig und ein wenig trashy geraten, der gesamte Film ist Campiness pur und Riesenmonster und Alien-Hexe fühlen sich etwas altmodisch an – aber genau das soll es auch sein. So düster Batman und so brutal Wolverine ist, so campy, trashy und cheesy sind die „Power Rangers“ – und es ist den Autoren und dem Regisseur Dean Israelite hoch anzurechnen, dass sie sich diesem Grundcharakter nicht verwehrt haben. Zu bemängeln, eine Geschichte rund um die Rangers wäre zu sehr campy, wäre so, als würde man sich aufregen, „The Beauty and the Beast“ wäre zu kitschig. Und seien wir ehrlich: Überdimensionale Kampfmaschinen hat man uns in „Transporters“ bereits vorgesetzt, so außergewöhnlich ist das nun auch wieder nicht. Dass nun Superhelden in Bonbon-farbenen Kostümen und Dinosaurier-Robotern die Welt vor riesigen Monstern, die von einer Alien-Hexe erschaffen werden, retten müssen, ist bewusst so sehr überdreht, dass es schon wieder … ja, kultig ist. Und vor allem eine willkommene Abwechslung inmitten der bereits bekannten Geschichten rund um Batman, Spiderman, Iron Man und Co. Neue Fans dürften sich mit dem Reboot also auch finden lassen, kommt “Power Rangers” doch als bunter Mix aus X-Men, Transformers und Justice League. Vor allem aber richtet sich das Reboot an die alten Nineties-Fans, die mit Jason, Kimberly, Trini, Zack und Billy aufgewachsen sind und nun für knappe zwei Stunden wieder Kind sein dürfen. Das volle Potenzial des Streifens entfaltet sich erst, wenn man die Originalserie genauestens verfolgt hat – denn dann erkennt man auch die zahlreichen Anspielungen an die Serie. Für alle, die das Ranger-Universum neu entdecken: Einfach zurücklehnen und genießen. Etwas, das uns immerhin “Batman vs. Superman” und die letzten beide X-Men-Filme gnadenlos verweigert haben.

Bitte ein Sequel!

Ist meine Kritik objektiv? Wahrscheinlich nicht (okay…ist Kritik jemals objektiv?). Aber das ist in Ordnung, sehr sogar, denn „Power Rangers“ hat in mir nicht nur ein nostalgisches Wohlgefühl ausgelöst und mir ein unerhofftes Wiedersehen mit meinen größten Kindheitshelden ermöglicht, sondern mit auch knappe zwei Stunden Popcorn-Unterhaltung vom Besten geboten, die sich angenehm vom Rest der anderen Superhelden-Filme-Masse abhebt und dem Genre einen neuen, wenn auch zum Teil trashigen, Aspekt hinzufügt. Wenn auf dieses Abenteuer keine Fortsetzung folgt, dann kann Rita die Erde ruhig für sich haben. Wer sich aber noch die Credits angesehen hat, der weiß, dass die Chancen dafür ziemlich gut stehen und die Ampeln für eine Fortsetzung auf … ähm, grün geschaltet sind.

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Fotos: Lionsgate / Constantin Film, Saban

 

 

 

 

 

 

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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