TV (c) BBC America

Published on Juli 20th, 2014 | by Manuel Simbürger

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Orphan Black: Das doppelte Klon-Lottchen

Klone und sonst irgendwie künstlich erschaffene Menschen ziehen immer. Weil Klone plus Sieht-Nur-So-Aus-Wie-Mensch-Menschen viele Storys zu erzählen haben. Das kann in Star Trek genauso sein wie in Star Wars (haben die dort wirklich Klone? Ach, egal…), in A.I. oder auf der „Insel“, auf der Scarlett Johansson und Ewan McGregor etwas verwirrt, aber doch, herausfanden, dass ihre Biologie ein bisschen anders ist als die ihrer Mitmenschen. Und da gibt es natürlich, leider vollkommen unterschätzt, die Joss-Whedon-SciFi-Philosophie-Saga „Dollhouse“, die wie kaum eine andere Serie die existenziellen Fragen stellt, was einen Menschen überhaupt ausmacht und was überbleibt, wenn man ihm täglich eine neue Identität einpflanzt? Gibt es eine Seele? Einen Identitätskern? Auf jeden Fall gibt es Sexy-Super-Agenten wie Enver Gjokaj.

Dollhouse (c) FOX

Dollhouse (c) FOX

Ich hätte mir nicht gedacht, dass eine Serie mit derartiger philosophischer Intensität nochmals das Licht der TV-Landschaft erblicken würde. Aber da, in diesem Fall vielleicht tatsächlich wie die Heilige Maria zum Jesuskind, kam die Welt – und ich – zu „Orphan Black“. Eine kanadische Science Fiction-Serie, die, das erfährt man gleich in der zweiten Episode, um Klone handelt.

Eigentlich nicht wirklich das, was mich USA-Musical-Drama-Dramedy-Sex-TV-Fan anspricht. Aber dann hab ich die erste Folge angesehen. Nein, dann habe ich Tatiana Maslany gesehen. Und fünf Tage später war ich mit der ersten Season durch.

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Dollhouse meets Akte X meets Desperate Housewives

Die Formulierung ist abgeklatscht, ich komme aber trotzdem nicht um sie herum: „Orphan Black“ ist Must-See-TV, das endlich wieder mal ausgelatschte Pfade verlässt und Mut zu überraschenden Twists und der einen oder anderen dramaturgischen (und eigentlich auch visuellen) Grenzüberschreitungen zeigt.

Also, für alle Orphies, wie sich die „Orphan Black“-Fans auf ganz kreativ nennen, die die TV-Serie nicht kennen: Es geht um Klone. Die sehen alle supergleich und superheiß aus, sind aber – abgesehen von ihrer DNA (oder…?) – vollkommen unterschiedlich. Die gibt es die Kleinkriminelle Sarah, der Hauptprotagonist, der sich in der SciFi-Film-Noir-Verschwörungs-Akte X-Welt herumschlagen muss. Dann gibt es einen Science-Nerd Cosima, der in so einer Serie ja fast unumgänglich ist – aber wenigstens ist sie lesbisch. Und dann gibt es die „Desperate Housewive“ Allison, die nicht nur tatsächlich die Kult-ABC-Show wieder auferstehen lässt, sondern auch frappante Ähnlichkeiten aufweist mit der Piper Halliwell aus der ersten „Charmed“-Season. Also, bitte, was will man mehr?!

Ach ja: Ein Klon (es gibt ja noch viele, viele mehr!) bringt sich um. Wodurch ein Klon zu einem anderen Klon wird. Dann gibt es einen Klon, der die anderen Klone killt, weil – natürlich – Gott es ihr befiehlt (so ungefähr). Dann gibt es nervige Cops, die halt auch dabei sein müssen, und die irgendwann auch checken, dass da was nicht stimmt, wenn die Leiche nicht nur gleich aussieht wie die Cop-Kollegin, die aber eigentlich gar keine ist, weil die streng genommen auch schon tot ist, sondern die beiden auch noch dieselben Fingerabdrücke aufweisen. Dann gibt es sexy Typen, die am Anfang nur ficken, aber dann doch dich nur beschützen wollen – was aber nicht so romantisch ist, wie es klingt. Und schließlich kommt auch noch irgend so eine freakige Sekten-Science Nerd-Gruppe daher, deren Guru, Dr. Leekie, Teil der Erschaffung von den Klonen war. Puh. Jetzt mal durchatmen.
Und, ach ja: Eine Klischee-Schwuchtel als beste Freund muss natürlich auch noch in den Trubel reingeschmissen werden. Weil das macht man heutzutage einfach so.

(c) BBC America

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Binge-Watching-Faktor

Ja, „Orphan Black“ hat Suchtfaktor. Und Binge-Watching-Faktor (denn so entfaltet diese Continuity-Serie ihr Potenzial tatsächlich am besten). Das liegt natürlich auch an den dichten Drehbüchern, die Turns und Twists (von denen man glaubt, sie schon erahnt zu haben, nur um dann bisschen enttäuscht zu erfahren, dass genauso diese Twists ohnehin in dieser Episode aufgelöst werden) und Cliffhanger an genau der richtigen Stelle platzieren. Die Story mischt Drama, Science Fiction, Crime Drama und gewisser Maße auch Comedy zu einem gelungenen Hybriden, der wahrscheinlich auch genetisch irgendwie verändert wurde und aus dem ein Tierschwanz aus dem Hintern wächst.

(c) BBC America

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SciFi-Philosophie

Vor allem aber, und das ist für mich einer der faszinierendsten Aspekte von „Orphan Black“: Du weißt nie genau, wer böse und wer gut ist, wer Feind und wer Buddy. Ganz den aktuellen Trend aufgreifend sind natürlich auch unsere Heldinnen kleine strahlenden Prinzessinnen, sondern eher dunkle Kriegerinnern, Anti-Helden, mit so vielen Ecken und Kanten, dass man diese schon gar nicht mehr zählen kann.

Faszinierend auch der philosophische Aspekt, die sich bekanntlich in SciFi-Serien sehr wohl fühlen und sich richtig austoben können. Ähnlich wie in „Dollhouse“ wird hier bei „Orphan Black“ der Frage nachgegangen, was ein menschliches Wesen wirklich ausmacht. Ist es die Biologie, die Gene? Oder das soziale Umfeld, die Erfahrungen? Was ist angeboren, was erlernt? Und was bewirkt die Erkenntnis, nicht mehr einzigartig zu sein – eigentlich nie einzigartig gewesen zu sein – mit deiner Psyche?

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Tatiana, das Chamäleon

Das wirkliche, also WIRKLICHE, Highlight von „Orphan Black“ ist Tatiana Maslany. Die 28-Jährige Kanadierin spielt in jeder Episode mindestens (!) drei verschiedene Rollen – und schlüpft scheinbar problemlos von Haut zu Haut ihrer verschiedenen Charaktere. Maslany spricht in den verschiedenen Klon-Rollen nicht nur komplett unterschiedlich, auch die Art, sich zu bewegen, zu gestikulieren, zu schauen, zu reagieren, zu sprechen unterscheidet sich zu 100 Prozent von all den anderen Klonen, die sie in „Orphan Black“ darstellt (and damn, that’s a lot!).

Generell ist es ja immer so eine Sache, wenn ein Schauspieler oder eine Schauspielerin eine idente Doppelrolle in einem Film oder einer Serie übernimmt, dann kann das zwar ganz gut hinhauen, meist aber richtig peinlich werden. Weil die schauspielerische Leistung hier oft an ihre Grenzen gelangt und die verschiedenen Facetten der Charaktere eher auf der Strecke bleiben. Und dann die Technik: Muss der Schauspieler gleich doppelt in einer Szene sein, dann sind die Tricksereien oft sehr offensichtlich: Green Screen, Bodydouble. Nicht das Gelbe vom Ei. Nicht das Gelbe vom Klon, möchte man sagen.

„Oprhan Black“ aber hat all diese Probleme überwunden. Es gab Szenen, da vergaß ich vollkommen, dass es sich bei Sarah, Allison, Cosima, Beth, Katja und vor allem Helena um ein um dieselbe Person (also so quasi) handelt. Maslany schafft in „Orphan Black“ mit Bravour das, was anderen SchauspielerInnen viel Kraft und noch mehr Jahre kostet: Die Schauspielerin als Person komplett verschwinden zu lassen und vollkommen in der jeweiligen Rolle aufgehen. Da ist sie einem gewissen Johnny Depp schon sehr stark auf den Fersen. Und auch, was die gemeinsamen Szenen der Klone angeht, erschafft „Orphan Black“ ein neues Niveau: Bis auf sehr wenige Ausnahmen ist von technischen Tricks nichts zu bemerken, man hat als Zuseher tatsächlich den Eindruck, hier agieren zwei vollkommen verschiedene Schauspieler miteinander. Man kann sich diese Herausforderung an Tatiana Maslany gar nicht vorstellen.

(c) BBC America

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Gut also, dass sie bereits schon einige Preise für ihre außergewöhnliche Leistung in „Orphan Black“ einheimsen konnte. Völlig verdient! Dass sie bei den Emmy-Awards 2013 und 2014 vollkommen ignoriert wurde, sorgte unter Kritikerkreisen von großer Empörung! Gut so – ein solcher Rohdiamant wie Malany sollte man nicht verstauben lassen. Aber wahrscheinlich war sie ohnehin bei den Emmys anwesend und hat sogar einen Preis abgeräumt – wir haben sie nur nicht erkannt …

(btw: Hat sich Julia Louis-Dreyfus nicht irgendwie komisch bei ihrer Dankesrede verhalten….?)

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(c) EW

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Sarah und ihre Klon-Freindinnen erinnern mich stets an jemanden…

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…. ach ja!   (c) The WB

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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