Cinema 2017-Oscars-89th-Academy-Awards

Published on Februar 27th, 2017 | by Manuel Simbürger

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Oscars 2017: Zuckerl, lebende Tote und falsche Kuverts

Es hat alles so gut angefangen: Justin Timberlake stürmte mit neuer (gewöhnungsbedürftiger) Frisur und seinem oscarnominierten Chart-Hit „Can’t stop the feeling“ das Dolby Theatre, um die manchmal etwas steife Academy Award-Gesellschaft ein bisschen aufzulockern und für Stimmung zu sorgen. Hat funktioniert: Halle Berry (ebenfalls mit gewöhnungsbedürftiger Frisur), Denzel Washington, Emma Stone, Ryan Gosling, Meryl Streep und der Rest der Creme de la Creme Hollywoods hielt es nicht auf ihren Sitzen und machte für einige Minuten unter der Leitung Timberlakes ordentlich Party. Dem hat’s getaugt, präsentierte noch einige Tanzmoves, die ihn endgültig als einzig würdigen Michael Jackson-Nachfolger etablierten, stimmte den Bill Withers-Gute Laune-Song „Lovely Day“ an und gönnte sich sogar ein kleines Tänzchen mit Ehefrau Jessica Biel (die mittlerweile tatsächlich nur noch als Timberlake-Wife bekannt ist).

Als Zuschauer sah man lächelnd-zufrieden zu und freute sich, dass nach der letztjährigen Oscar-Verleihung, bei der bis zum Schluss keine Stimmung aufkam und bei der Moderator Chris Rock gleich in den ersten Minuten mit seiner Rassimus-Rede den Großteil der Zuschauer verkraulte, die Oscars endlich wieder Spaß machten. Das schien auch noch so, als der diesjährige Host Jimmy Kimmel die Bühne betrat und liebevoll die Nominierten auf die Schaufel nahm, seine „Frenemie“-Beziehung mit Matt Damon hauf die nächste Ebene hievte – und der eine oder andere Trump-Verarscher war in seiner Eröffnungsrede natürlich auch enthalten, auch wenn sich Kimmel dabei nie allzu weit aus dem Fenster lehnte und eher zahm blieb. Als zum Schluss Meryl Streep auch noch Standing Ovations für ihre bereits 20. Oscar-Nominierung erhielt, zerdrückte man sogar das eine oder andere Tränchen vor Rührung (und Stolz, den man irgendwie nicht ganz erklären kann). Ja, man war sich sicher: Dieses Jahr wird alles anders.

Politischer Sparkurs

Wie so oft im Leben musste man aber bald feststellen: Man unterlag einer Täuschung. Nicht, dass die 89. Oscar-Verleihung ein totaler Reinfall gewesen wäre. Das sicherlich nicht. Trotzdem machte sich im Laufe des Abends wie in den vergangenen Jahren auch sehr schnell Langeweile breit. In den Hauptkategorien machten beinahe durchwegs die Favoriten das Rennen (zweifelte irgendwer an Emma Stone, Viola Davis, Mahershala Ali und Casey Affleck?), die Laudationen waren auch im 89. Jahr der Academy Awards immer noch nicht lustig und abgesehen von Timberlake wussten auch die musikalischen Einlagen dieses Mal nicht wirklich zu überzeugen. Besonders schade: Obwohl die eigentlich sehr vorsichtige Oscar-Jury es diesmal erstmalig ausdrücklich erlaubte, politische Statements auf der Bühne von sich zu geben, waren die Spitzen gegen Trump überraschend dünn gesät an diesem Abend. Fast schien es bisschen so, als ob die Verleihung nicht so recht wüsste, ob sie nun reine Unterhaltung sein oder doch den politischen Zeigefinger zeigen sollte. Dass Asghar Farhadi, der iranische Regisseur der preisgekrönten Doku „The Salesman“, der Award-Verleihung fern blieb, war das größte politische Zeichen, das an diesem Abend gesetzt wurde. Schade, da hat Hollywood eindeutig seine Chancen vergeben.

Fußvolk und umgekehrter Rassimus (?)

Statt Politik gab es dafür Bemühungen, hip und cool sein zu wollen – und möglichst nahe beim Fußvolk. Also ließ Jimmy Kimmel lieb eingepackte Geschenksackerl voller Süßigkeiten auf die Stars hinab regnen, über die sich so mancher Promi mehr zu freuen schien als über einen Oscar selbst. Das war, zugegeben, ganz amüsant anzuschauen, reichte aber nicht an die Selfie-und Pizzaaktionen einer Ellen DeGeneres vor einigen Jahren heran. Apropos Pizza: Diesmal waren es zwar keine Essenslieferanten, die plötzlich im Saal standen, sondern ganz gewöhnliche Bustouristen, die überraschend eingeladen wurden, einige wenige Minuten Teil der Academy Award-Verleihung sein zu dürfen. Ganz spontan. Angeblich. Ganz normale Menschen. Angeblich. Die grinsten und lachten und freuten sich und schossen viele, viele Fotos. Nicole Kidman in der ersten Reihe fußfrei lächelte und winkte freundlich dem Volk zu. Was als positive Message der Academy geplant war, ging eher nach hinten los: Denn in diesen Momenten wurde der Unterschied zwischen der glamourösen Traumfabrik Hollywood und der sterblichen Bevölkerung noch deutlicher, als sie es ohnehin schon ist. So sehr Kidman, Streep, Gosling und Stone sich auch bemühen: Sie werden nie welche von uns sein.

Auffällig auch, dass es dieses Jahr viele afroamerikanische Preisträger gab – bis hin zu „Moonlight“, einer einfühlsamen Geschichte über einen jungen, homosexuellen, afroamerikanischen Mann, die die höchste Auszeichnung „Best Picture“ für sich entscheiden konnte. Das kann man wiederum durchaus vor dem Hintergrund der Trump’schen Politik als klares Zeichen sehen und ist durchaus ein schönes Symbol – hat aber gleichzeitig auch einen fahlen Beigeschmack: Überschattete 2016 die Oscar-Verleihung mit dem Slogan #OscarsSoWhite eine wütend geführte Rassismus-Debatte, ist es dieses Jahr doch allzu auffällig, dass sich die Jury bei den Gewinnern stark um Diversität bemühte. Nicht, dass man an den großartigen schauspielerischen Leistungen von Ali oder Davis zweifeln würde. Aber hätte die heurige Gewinnerliste ohne der letztjährigen Debatte auch so ausgesehen? „Umgekehrter Rassismus“, mag man da vielleicht meinen. Und am Ende sollte doch immer die Leistung zählen, nicht das Geschlecht, die Herkunft oder auch die sexuelle Orientierung. War es dieses Jahr so? Vielleicht, und diesem Fall freue ich mich sehr. Sicher kann man aber nicht sein.

Pannenshow

Einen – vielleicht sogar nötigen – skurrilen Charakter bekam die Verleihung dann noch durch zwei sehr peinliche Pannen, die wohl in die Oscar-Geschichte eingehen werden: Zum einen wurde im Memorial-Segment eine Dame gezeigt – nämlich die Produzentin Jan Chapman -, die eigentlich noch gesund und munter unter den Lebenden weilt. Chapman verlieh ihrem Erstaunen kurze Zeit später via Twitter Ausdruck: „I am alive and well.“ Da dürfte wohl hinter den Kulissen ein Job freigeworden sein.

Schlampigkeit hinter den Kulissen führte zu einem weiteren Fehler, der viel auffälliger war und über den man wohl noch in einigen Jahren sprechen wird: Warren Beatty und Faye Dunaway verkündeten „La La Land“ (der seiner Favoritenrolle mit 14 Nominierungen und „nur“ 6 Preisen übrigens nicht gerecht wurde) als „Best Picture“ – bis man dann recht schnell draufkam, dass Beatty das falsche Kuvert überreicht bekam und eigentlich „Moonlight“ in dieser Kategorie gewann. Da war nur das gesamte La La-Team bereits auf der Bühne und besonders bei den beiden Hauptdarstellern Stone und Gosling war ein großes „La La … WTF?!“ deutlich ins Gesicht geschrieben. Das Verlierer-Team nahm es trotzdem locker, als es der „Moonlight“-Mannschaft auf der Bühne Platz machen musste. Unter all dem Chaos ging dann leider bisschen unter, dass „Moonlight“ ein außergewöhnlicher Gewinner ist, der vielleicht doch eine Perspektivenänderung in der bisher arg konservativen Academy ankündet. Wenn das tatsächlich so sein sollte, war die 89. Oscar-Verleihung ja doch bedeutender, als man auf den ersten Blick meinen möchte.

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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