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Published on Juni 15th, 2014 | by Manuel Simbürger

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Regenbogenparade 2014: So sieht’s der Hetero … und der Homo

Gestern lief, wie alljährlich, die Regenbogenparade fahrtrichtung-verkehrt rund um den Ring über die Bühne. Und es war wieder mal so kunterbunt, laut, Party, glitzernd, verrückt, ganz und gar eben der Regenbogenfahnen-Lifestyle.
Sorry, jetzt hab ich mich von all den anderen Medien in ihrer Paraden-Berichterstattung beeinflussen lassen.
Ich möchte mal aus einem anderen Blickwinkel über die Regenbogenparade berichten. Eigentlich aus zwei Blickwinkeln: aus der Homo-Sicht (eh kloa) und aus der Hetero-Sicht. Die sind nämlich, na no na, nicht immer ident. Das merkt man spätestens beim Durchforsten diverser Online-Kommentare, wo man zeitweise das Gefühl hat, hier würden zwei Welten aufeinanderprallen.

Und sind es tatsächlich zwei Welten? Nein, muss man an dieser Stelle natürlich, von politischer Korrektheit getrieben, sagen. Ja, vielleicht, manchmal durchaus aus, denkt man sich aber dann doch im stillen Kämmerlein. Das ist sicherlich ungerecht, aber diesem Eindruck kann man sich manchmal nicht so ganz entziehen. Den Spruch vom Mars und von der Venus erspare ich mir aber hier. (Because that’s sooo Nineties!!!)

Also, los geht’s:

Die Parade aus Sicht des weltbestimmenden, weißen Hetero-Mittelklasse-Mannes:

„Die Schwulen haben gestern wieder gefeiert. Schon wieder. Ich hab ja nix gegen Schwule und ich bin auch nicht homophob, aber ich möcht’s mir halt einfach nicht ansehen, wenn sich zwei Männer küssen. Das finde ich grauslig. Ich weiß, das darf man heutzutage ja gar nicht mehr sagen, weil man dann sofort als Arschloch und Rechtsradikaler abgestempelt wird. Das find ich schon sehr übertrieben. Überhaupt hab ich das Gefühl – und in den letzten Monaten ganz besonders -, dass ich mich schon entschuldigen muss, dass ich hetero bin. Und sorry, ich will halt nicht in einem Österreich leben, wo ich muss für etwas entschuldigen muss, was normal ist. Wenn ich höre, die wollen in den Mittelpunkt der Gesellschaft, dann krieg ich echt solche Kabeln! Was soll das heißen – dass wir Heterosexuellen an den Rand sollen? Muss ich mich jetzt von denen verdrängen lassen?! Zu den „Raus auf Heterösterreich!“-Schildern auf der Parade will ich gar nix sagen. Wenn die nicht tolerant sind, warum sollen es wir dann sein?

Soll jeder tun und lassen, was er will, aber halt bitte zuhause und nicht vor meiner Nase. Weil in letzter Zeit gab’s echt einen schwulen Overkill. Song Contest, Conchita Wurst-Hype (der ist immer noch ein ER und keine SIE!!!), Life Ball, Regenbogenparade mit so einem Zeltfestl am Rathausplatz. Das ist mir echt schon zu viel. Man hört überall nur noch, dass die Woamen genauso viel Rechte haben wollen wie wir anderen und dass wir uns nach denen zu richten haben. Ha, dass ich nicht lache! Wie gesagt, ich bin echt nicht homophob, aber Minderheit ist halt Minderheit, und die haben halt automatisch nicht dieselben Rechte wie der Großteil der Gesellschaft. Das ist nun mal so, war schon immer so. Und Schwule sind halt in der Minderheit – Gott sei Dank, muss ich sagen! Wie die sich immer aufführen, mit ihren verrückten Kostümen und dem Herumgeschwuchtel und so. Immer muss bei denen alles laut und bunt und heftig sein, das nervt echt! Ich binde ja auch nicht jeden, den ich treffe, auf die Nase, dass ich hetero bin und Frauen schnacksle. Also will ich das auch von denen nicht wissen. Und, seien wir uns mal ehrlich: Österreich und Europa allgemein hat ganz andere Sorgen, als sich um die Rechte von einer Randgruppe zu kümmern. Bringen wir mal alles andere in Ordnung, und dann können von mir aus auch die Schwulen ihren Stück vom Kuchen abhaben – aber solange wir kein Geld für die Bildung haben, die Jugendarbeitslosigkeit steigt und Länder rund um uns ums Überleben kämpfen, sind mir Rechte von Woamen ehrlich gesagt echt egal. Die nehmen sich einfach viel zu wichtig und sollten mal einen Gang zurückschalten. Andere Minderheiten demonstrieren auch nicht bei jeder Gelegenheit und wegen jedem Schaß.

Und, das möchte ich zum Schluss auch noch sagen – und all die Medien, sogar der Standard, sehen das so wie ich: Wenn man ganz ehrlich ist, geht es ja bei solchen Paraden (wegen der ich übrigens echt kompliziert mit den Öffis fahren musste, weil ja halb Wien gesperrt ist) nicht um Politik oder Rechte, sondern nur um Party und Saufen und Ficken. So wie halt immer bei den Schwulen, wir wissen ja, wie die herumschnackseln. Ist es nötig, einen Sadomaso-Fiaker durch die Straßen zu ziehen? Transen halbnackt auf offener Straße herumlaufen zu sehen? Männer in Leopardenkostümen und fette Menschen, bekleidet mit nichts mehr als überknappen Höschen? Und dann, das darf man auch nicht vergessen, sind da jedesmal Kinder unter den Zuschauern. Zarte Seelen sollten mit solchen Bildern nicht konfrontiert werden. Die werden nur negativ beeinflusst.

My point: wir Heteros würden sowas nie machen. Klar, jetzt bei der WM feiern wir auch feuchtfröhlich, aber wir ficken uns alle nicht gegenseitig und lassen dafür den ganzen Ring sperren. Die Schwulen sind mir einfach zu extrem. Ein ganz eigenes Völkchen.“

Die Parade aus der Sicht des nicht-weltbestimmenden, weißen Homo-Mittelklasse-Mannes:

„Gestern fand endlich wieder die Regenbogenparade statt. Yay!!! Das ist schon ein schönes Gefühl, wenn zehntausende von Leuten durch Wien mit Regenbogenfahnen gehen und Solidarität bekunden. Sogar das Rathaus hat die bunte Fahne gehisst, strategisch gut platziert zwischen den Österreich-Fahnen. Ein echt schönes Symbol – und ein umso wichtigeres, wenn man bedenkt, dass vor wenigen Jahrzehnten Homosexualität noch unter Strafe stand. Man wurde weggesperrt, nur weil man mit dem Menschen zusammen sein wollte, den man liebte.

Deshalb ist die Parade umso wichtiger – und deshalb finde ich es auch vollkommen okay, den gesamten Ring zu sperren: den Leuten taugt’s ja eh, die kommen in Massen und schauen uns zu, wie wir unsere Sexualität, unsere Selbstbestimmtheit, unseren Stolz auf das, wie wir sind (nicht, WAS wir sind!), feiern, Und ja klar feiern wir – wieso auch nicht? Das Leben ist zu kurz, um es nicht auszukosten. Die politische Message wird ja trotzdem betont, man muss vielleicht nur etwas genauer hinsehen. Wir wollen uns nicht länger verstecken, so wie wir das jahrzehntelang machen mussten, wir gehen out and proud auf die Straßen und zeigen, wer wir sind. Wir möchten auch gar nicht gleich sein wie die Heten, wir haben eine andere Lebensweise und das ist gut so. Aber wir möchten nicht wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden, nicht wie eine Randgruppe – weil das sind wir nicht! Wir möchten in den Mittelpunkt der Gesellschaft – denn auch die Heten sind in der gesellschaftliche Mitte, immer schon gewesen und werden es immer sein, nur checken die das nicht.

Ich war bei der Parade auch nur mit Höschen und wildem Kopfschmuck unterwegs. Sexy, baby! Klar, auch mir gefällt nicht jedes Styling, was da so gezeigt wird, aber genau dieses Kunterbunte macht die Parade, macht die Gay Community aus: Wir möchten darauf hinweisen, dass es mehrere Arten von Sexualität gibt, mehrere Arten, sich auszudrücken und sein Leben zu leben – und keine Art ist schlechter oder besser als die andere. Und wenn wir da so gemeinsam den Ring entlang gehen, dann stärkt das nicht nur unser Selbstbewusstsein, sondern auch unser Zusammengehörigkeitsgefühl – denn das kann auch die Gay Community schwer brauchen.

Manchmal ist es gar nicht so leicht zu wissen, woran wir in der Gesellschaft nun sind. Wir möchten ja nur dazu gehören und uns nicht dauernd auf den Kopf scheißen lassen – und wenn wir dazu laut und bunt sein müssen, dann gerne! Sonst berichtet ja keiner drüber. Nur schade, dass viele Medien das nicht verstehen und immer die Paradiesvögel unter uns aus der Masse ziehen und somit ein komplett falsches Bild vermitteln. Aber, was ich eigentlich sagen wollte: Ich tu mir oft schwer damit zu sagen, ob Herr und Frau Österreicher uns nun lieben (oder wenigstens respektieren) oder nicht. Zum einen sind da tausende von begeisterten Zuschauern bei der Parade, die uns unterstützen und auch ihre Kinder mitbringen, um denen zu zeigen: Schau, egal, wer oder wie du bist, du kannst immer glücklich sein! (Eigentlich finde ich ja, dass man die Kinderchen vor den diversen Wut-Omas schützen soll und nicht vor uns Homosexuellen, aber das ist wohl ein anderes Thema.) Es gab sogar drei junge Hetero-Menschen bei der Parade, die Schilder mit den Worten „We’re sorry the church hurt you“ oder „God loves you!“ hochhielten. Ich war da echt gerührt. Da kommt es auch gar nicht drauf an, ob man gläubig ist oder nicht, aber da waren diese drei jungen Menschen, die stundenlang diese Schilder hochhielten und sich im Namen der Kirche für dessen Schandtaten entschuldigten (mit einem guten Terminkalender sollten sie das in den nächsten 20 Jahren geschafft haben). Und es gibt viele gläubige Schwule, die sich von diversen Kirchenvertreter-Zitaten verletzt fühlen und die durch diese symbolische Unterstützung Mut fassten. Auch deshalb glaube ich, dass die politische Message der Parade sehr wohl ankommt.
Und ja, dann ist ja Österreich seit dem ESC-Sieg von unserer Conchy ja voll tolerant und so. Alle lieben sie und denken über alternative Lebensweisen nach und sogar in der Politik scheint jetzt in der Diskussion um die längst überfällige Gleichstellung was weiterzugehen. Und den Life Ball finden auch viele Menschen cool.

Aber dann gibt es da auch die andere Seite, die uns gleichzeitig genauso entgegenschlägt wie Solidarität, und das ist manchmal ganz schön verwirrend: Paraden-zeitgleiche Homophobie-Demonstrationen, die heuer bereits um einiges mehr Anhänger hatte als im Vorjahr. Eine Buttersäure-Attacke auf die Lunacek (die kurz vorher noch ausgelassen und fröhlich tanzte; die ist auch wirklich cool, die Frau!) und auf Twitter zahlreiche Warnungen, man solle am Heimweg von der Parade doch bitte vorsichtig sein, weil Rechtsradikale uns auflauern – wie es zum Beispiel vor der Uni dann auch tatsächlich passiert ist. Da hat man plötzlich wieder Angst und die Lebensfreude vom Nachmittag ist verflogen und man fragt sich, was an einem selbst, an uns, so derart schrecklich ist, so derart falsch, dass man uns mit Gewalt begegnet. Klar, Rechtsradikale sind nicht der Usus der Gesellschaft… oder? Die EU-Wahl hat zumindest besorgniserregende Tendenzen aufgezeigt. Willkommen im blauen Österreich.

Und genau deshalb werden wir weiterhin auf der Straße feiern und auf uns aufmerksam machen, damit nicht vergessen wird, dass es unter uns, sprich: der österreichischen Gesellschaft, Menschen gibt (und das gar nicht wenige!), die immer noch aufs äußerste diskriminiert werden aufgrund der Tatsache, dass sie jemanden lieben, der zufällig dasselbe Geschlecht hat. Wir haben immer noch einen lang Weg vor uns – und bis dahin ist ein Kämpfen, aber auch ein Feiern unumgänglich. Klar, auch mir wäre lieber, wenn all die „Gay-Events“ nicht im Frühjahr stattfinden würden. Auch ich würde es cooler finden, wenn sie auf das ganze Jahr verteilt wären. Aber was soll’s, jetzt ist ja auch die WM ganze zwei Wochen lang, das ultimative Hetero-Event, und dagegen demonstriert schließlich auch keiner. Da fragt auch (zumindest laut) keiner, warum uns, „der Gesellschaft“, diese Leidenschaft einfach so übergestülpt wird. Übrigens: Wer einmal auf einer Fußball-Fanmeile war, der weiß, dass Heten sich in Sachen Event-Party-Machen gar nicht so sehr von uns Schwulen unterscheiden.“

Zum Schluss noch einige persönliche Impressionen der Regenbogenparade 2014:

Das Rathaus zeigt sich Regenbogen-affin. Strache ist wahrscheinlich gerade auf Urlaub.

Das Rathaus zeigt sich Regenbogen-affin. Strache ist wahrscheinlich gerade auf Urlaub.

Das Volk entschuldigt sich für die Kirche. Na gut, wenigstens drei Menschen.

Das Volk entschuldigt sich für die Kirche. Na gut, wenigstens drei Menschen.

Allah durfte da natürlich auch nicht fehlen.

Allah durfte da natürlich auch nicht fehlen.

Conchita hat da wohl einen Trend ausgelöst.

Conchita hat da wohl einen Trend ausgelöst.

Damit es auch wirklich alle verstehen, worum es hier geht.

Damit es auch wirklich alle verstehen, worum es hier geht.

Hat man in der Schule schon gern gemalt, kommt einem das bei der Parade zugute.

Hat man in der Schule schon gern gemalt, kommt einem das bei der Parade zugute.

Obwohl Wut-Omas manchmal auch ganz witzig sein können....

Obwohl Wut-Omas manchmal auch ganz witzig sein können….

Weil Sexismus genauso scheiße ist.

Weil Sexismus genauso scheiße ist.

Auf diesem Plakat steht: "Tolerier mich doch am Oasch." Ich war nur gerade mit Tanzen beschäftigt.

Auf diesem Plakat steht: “Tolerier mich doch am Oasch.” Ich war nur gerade mit Tanzen beschäftigt.

Da war die Welt der Grünen noch in Ordnung.

Da war die Welt der Grünen noch in Ordnung.

Ab jetzt wird Butter für mich nie einfach nur noch Butter sein.

Ab jetzt wird Butter für mich nie einfach nur noch Butter sein.

Weil man echt nix auslassen sollte auf so einer Parade.

Weil man echt nix auslassen sollte auf so einer Parade.

Jetzt mal ehrlich: Eigentlich wollen wir alle mal auf so einem Wagen tanzen. Und unsere coolen Sonnenbrillen-Shirts präsentieren.

Jetzt mal ehrlich: Eigentlich wollen wir alle mal auf so einem Wagen tanzen. Und unsere coolen Brillen-Shirts präsentieren.

Kätzchen waren auch anwesend. Und holen sich Streicheleinheiten.

Kätzchen waren auch anwesend. Und holen sich Streicheleinheiten.

Vielfalt auf allen Linien. Außer, man hat wieder mal eine Störung.

Vielfalt auf allen Linien. Außer, man hat wieder mal eine Störung.

Hier fällt mir kein lustiger Text ein. Aber die Mädels waren echt lustig.

Hier fällt mir kein lustiger Text ein. Aber die Mädels waren echt lustig.

Senioren sind way cooler, als man denkt.

Senioren sind way cooler, als man denkt.

Auch die Aliens haben sich gedacht, sie kommen auf nen Sprung vorbei und demonstrieren a bissal.

Auch die Aliens haben sich gedacht, sie kommen auf nen Sprung vorbei und demonstrieren a bissal.

Da soll noch mal wer sagen, Schwule verstehen nix von Autos.

Da soll noch mal wer sagen, Schwule verstehen nix von Autos.

Bissale London muss natürlich auch sein. Immer.

Bissale London muss natürlich auch sein. Immer.

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Einige bringen die Strandparty einfach selbst mit.

Einige bringen die Strandparty einfach selbst mit.

Für den ORF ist die Regenbogenparade purer Lifestyle. Und nicht Politik.

Für den ORF ist die Regenbogenparade purer Lifestyle. Und nicht Politik.

Die Gay Event-Zeit ist vorbei. Und die Gay Rights verschwinden aus dem öffentlichen Blickfeld.

Die Gay Event-Zeit ist vorbei. Und die Gay Rights verschwinden aus dem öffentlichen Blickfeld.

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



2 Responses to Regenbogenparade 2014: So sieht’s der Hetero … und der Homo

  1. knipserei says:

    Die “Heten-Sicht” – hast Du gut getroffen.

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