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Published on September 17th, 2013 | by Manuel Simbürger

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“Arrow”: Robin Hood meets Batman

VOX zeigt sich mutig: Nach dem Erfolg der Crime-Mystery-Serie „Grimm“, die gewissermaßen immer noch in die “CSI”-Schublade passt, strahlt der deutsche Sender, der zur RTL Group gehört, seit vergangenen Montag die Superhelden-Serie „Arrow“ zur Prime Time aus. Das würde man eher ProSieben zutrauen, und sogar hier wäre eine Story um einen modernen Robin Hood um 20Uhr15 ein großes Wagnis. Aber Mut wird eben auch belohnt: „Arrow“ legte einen Spitzen-Start hin, lockte sehr gute 2,79 Millionen deutsche ZuseherInnen vor den Bildschirm (8,8 % MA), bei den 14-49-Jährigen waren es sogar rund 15 % MA. Die Marktführerschaft am Montagabend lag damit also eindeutig bei VOX. Gratulation.

Strategisch war es gut geplant, seit vielen Monaten baut sich VOX mit seinem Montagabend schließlich schon ein vorwiegend männliches Publikum auf, man denke an „Grimm“ oder „CSI: New York“. Auch „Arrow“ wird vor allen bei Burschen und Männern gut ankommen, schließlich will jeder von ihnen doch gerne ein cooler Pfeil- und Bogenschütze sein. Und trotzdem: Nachvollziehen kann ich den Erfolg von „Arrow“ nicht (weder im deutschsprachigen Raum noch in den USA, wo nach der sehr erfolgreichen ersten Staffel in Kürze bereits die zweite Season startet). Denn mehr als durchschnittliche TV-Unterhaltung mit langweiligen Figuren und einem nur bedingt spannenden Plot bekommen wir hier nicht zur bieten.

Vorbild Batman

Oliver Queen alias Bogenschütze Arrow hatte seinen ersten US-Comic-Auftritt 1941 und gehört seitdem zur fixen Superhelden-Liga mit einer durchaus nicht uninteressanten Story, vor allem in Hinblick auf seine Kollegen Green Lantern und Superman – dieser reißt ihm nämlich bei einem Kampf gar den rechten Arm ab, worauf Arrow (in den Comics heißt er eigentlich „Green Arrow“) seine Pfeile nur noch mit seinen Zähnen abschießt. Ja, so brutal sind die amerikanischen Superhelden-Comics.

Und so brutal will auch die US-Serie „Arrow“ sein. Oder eher: so dunkel. So mysteriös. So zerrissen. So ganz „Batman“ halt. Vor einigen Jahrzehnten waren Superhelden-Serien im TV eher noch im Komödienfach angelegt, man denke an „Superman – Die Abenteuer von Lois und Clark“ und natürlich an die legendäre „Batman“-Serie aus den Sechzigern. „Smallville“ ging Anfang der Nullerjahre den ersten Schritt in die seriösere und dunklere Richtung. Aber spätestens seit dem Megaerfolg von Chris Nolans “Batman”-Filmreihe, der den Helden als zerrissenen, an der Grenzlinie zwischen Gesetz und Verbrechen balancierenden Mann darstellte, ist ganz klar: Superhelden sind düstere Charaktere, die das Wohlergehen der gesamten Welt auf ihren (wenn auch breiten und sehr trainierten) Schultern tragen. Das kann an einem ja nicht spurlos vorübergehen.

Tatsächlich gibt es zwischen Arrow und Batman einige auffallende Parallelen. Beide verloren ihre Eltern (Queen zumindest seinen Vater, aber seine Mutter ist ja auch nicht gerade die Mum des Jahres), beide sind Billionäre, die von ihrer Heimatstadt beinahe vergöttert werden. Sowohl Oliver Queen als auch Bruce Wayne sind begehrte Junggesellen, die sich aber natürlich nicht binden wollen, die jedoch ihr Herz an eine ganz besondere Dame verloren haben: nämlich jeweils ab eine taffe, selbstbewusste Karrierefrau mit dem Herzen am rechten Fleck, aber mit einer Neugier ausgestattet, die nicht immer so ganz gesund sind. Und natürlich: Queen und Wayne wollen beide „ihre“ Stadt von Ungeziefer aller Art befreien. Unentdeckt, in der Nacht, als ihre zweite Identität. Einer tut dies als Fledermaus, der andere als grüner Robin Hood mit vielen witzigen Pfeilen. Jedem das seine. Aber liegt es nur an mir, oder ist ein mit Bogen und Pfeilen bewaffneter Kapuzenträger schon ein bisserl peinlich?

Kein rundes Ganzes

Während Batman der Inbegriff des dunklen Ritters ist, will dieses Gefühl bei Arrow nicht ganz zum Zuschauer durchdringen. Ein bisschen zu lächerlich wirkt sein Kostüm als Arrow – und schon genauso wie bei Superman fragt man sich unentwegt, warum man einen Menschen plötzlich nicht mehr erkennt, nur weil er sich die Augenpartie grün anmalt und eine Kapuze über den Kopf gezogen hat. Überhaupt wird uns in der Pilotfolge viel zu wenig Zeit gelassen, um uns an den neuen Superhelden zu gewöhnen. Die Rückblicke auf Queens Zeit auf der einsamen Insel, die ihm zum grünen Rächer machte, sind nicht spannend genug, um wirklich dranbleiben zu wollen. Es wäre zudem nett gewesen, zu sehen, wie Queen die Arrow-Persona überhaupt erschafft, anstatt einfach so auf der Bildfläche zu erscheinen. Aber vielleicht kommt das ja noch, wir haben ja noch viele Folgen vor uns.

Auch etwas nervig: Mit Realismus nimmt es “Arrow” nicht so genau, auch Queens Wiedereingliederung in die Gesellschaft geht rasend schnell. Trauma? Er träumt schlecht und schläft nicht gerne in seinem Federbett. Und in der Freizeit baut er sich in einer leerstehenden Fabrik ein Trainings- und Überwachungszentrum auf. Schwuppdiwupp.

Seit „Batman“ und „The Avengers“ ist man es gewöhnt, dass es in Superhelden-Storys rauer zugeht, zuteil sogar richtig brutal. „Arrow“ kommt da ein bisserl wie ein pubertierender Teenager daher, der auch gern so würde wie die Erwachsenen, aber es halt nicht so ganz hinbekommt. Aber wenigstens in Ansätzen zeigt, dass aus ihm mal was werden könnte. Dass „Arrow“ ein Produkt des US-Teenie-Senders „The CW“ ist, ist halt doch nicht zu übersehen. Wirklich edgy ist an „Arrow“ nichts, obwohl die Serie es so hart versucht. Dafür wird uns von allem ein bisschen was geboten: Action, Mystery, Liebe, Familie, Humor. „Arrow“ ist ein Mix aus „Revenge“, „Lost“ und „Smallville“. Aber von überall ein bisserl was macht trotzdem kein rundes Ganzes.

Strahlende Helden? Gähn!

In seinem Rahmen macht „Arrow“ vieles richtig. Auch die Schauspieler, wenn auch allesamt so perfekt gutaussehend, dass es schon wieder befremdlich wirkt, machen ihre Sache sehr okay. Stephen Amell als Oliver Queen/Arrow ist wohl der sexieste Superhelden-Sixpack der TV-Geschichte – auch wenn unweigerlich in einem der Gedanke aufkommt: „Wenn man nach Jahren auf einer einsamen Insel SO aussieht, will ich auch mal in einen Schiffbruch geraten.“ Ob Amell aber auch dem eigentlich sehr zerrissenen Charakter von Queen gewachsen ist, wird sich zeigen. Mich persönlich hat er in „Hung“ als Callboy mehr überzeugt.

Vor allem aber merke ich an mir eines, wenn ich „Arrow“ ansehe – und vielleicht ist es das, was mich an der Serie am meisten stört: Wir sind nicht mehr an richtige Helden als Hauptfigur gewöhnt. Ein Billionär, der zwar in seinem früheren Leben ein Arsch war, nun aber geläutert als furchtloser Held gegen böse Jungs antritt? Gähn. Zieht irgendwie nicht mehr so richtig – außer der furchtlose Held heißt Batman, aber dessen Psycho-Rucksack ist ja selbst so groß, dass er jeden Moment selber zum Bad Boy werden könnte.

Nein, strahlende Helden in einer Drama-Serie habe ihren Glanz verloren – zumindest für mich. Viel zu sehr habe ich mich an all die ambivalenten Anti-Helden gewöhnt, die wir aus „Breaking Bad“, „House of Cards“, „Vampire Diaries“, „True Blood“, „Revenge“ oder natürlich „Dexter“ kennen. Das sind Figuren, die keinen Hehl aus ihrer schwarzen Seite machen und diese auch ausleben. Oder gegen diese Seite ankämpfen und am Ende schmerzlich daran zerbrechen. Gut sein wollen, es aber nicht schaffen. DAS ist menschlich, DAS ist der Stoff, aus dem moderne, spannende TV-Unterhaltung geschrieben sind. Figuren aus Fleisch und Blut, mit Ecken und Kanten. „Arrow“ lässt genau das vermissen. Aber wer weiß, vielleicht beweist die Serie ja doch noch mehr Mut, als sie uns in der Pilotfolge glauben machte.

Vielleicht gibt’s ja auch bald in der Serie ein Zusammentreffen mit Superman … dann wär auch ich wieder voll dabei.

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(c) The CW

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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