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Published on Februar 22nd, 2015 | by Manuel Simbürger

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Wenn GLEE „I DO“ sagt …

… lässt uns dies emotional unbeteiligt zurück.

Es war das am schlechtesten behütetste Geheimnis der aktuellen TV-Saison: Als Kurt und Blaine, die „Glee“-Posterboys der Gay Community 2.0., diese Woche in der achten Folge der finalen Staffel der einstigen Kultserie den großen Schritt wagten und endlich „I do!“ zueinander sagten, hätte das ein großer Knalleffekt werden sollen. War es aber nicht, weil Paparazzifotos des Drehs schon vor Wochen im Internet auftauchten und Ryan Murphy, „Glee“-Papa auf Abwegen, schon vor Beginn der sechsten Staffel ankündigte, dass die Serie mit einem Happy End für Klaine enden würde.

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Also haben wir uns nichts dabei gedacht, dass Kurt und Blaine plötzlich Ehemänner sind, obwohl sie vorige Woche noch nicht mal ein Pärchen waren. Wir haben uns nichts dabei gedacht, dass es in der Episode „A Wedding“ eigentlich mehr um Brittany und Santana, die zumindest rund eine Woche verlobt waren, bevor sie zum Traualtar schritten, ging als um das einstige Serien-Gay-Traumpaar, das mal schnell in die Story reingeschoben wurde. Wir haben uns nur ganz kurz gefragt, wieso Quinn in der Folge durch Abwesenheit glänzte. Wir haben uns auch nicht daran gestoßen, dass wir eigentlich nicht wissen, ob Kurt wieder nach NYC zurückkehrt, wie es mit Blaines Karriere weitergeht und wo die beiden zukünftig wohnen sollen. Dass wir auch nichts – eigentlich noch viel weniger – über die Zukunft von Brittana wissen, haben wir auch hingenommen. Weil es eben „Glee“ ist. Und „Glee“ gibt bekanntermaßen nicht sonderlich viel auf Kontinuität, Logik oder nachvollziehbare Charakterentwicklungen oder Backgroundstorys der Figuren.

Es ist halt „Glee“.

Und wir haben alle Hoffnungen aufgegeben.

Weshalb es auch gut ist, dass die Serie nur noch 5 Folgen vor sich hat, bevor die Tore der McKinley Highschool für immer geschlossen werden.

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Double Gay-Wedding

„A Wedding“ ist sicherlich eine der – wenn nicht DIE – Highlightfolgen der aktuellen Staffel. Schließlich schwören sich die beiden langjährigen Traumpaare Brittana und Klaine vor den wichtigsten Menschen in ihrem Leben ewige Liebe. Eine doppelte Gay-Wedding also, die uns „Glee“ hier präsentiert – einer Serie, die trotz jeglicher fehlender Logik bis zur letzten Minute (Stichwort Coach Beast!) mit aller Kraft versucht, gesellschaftliche Minderheitsgruppen in die Story zu inkludieren, genügt es schließlich nicht, wenn nur ein homosexuelles Pärchen Hochzeit feiern darf. Streng genommen haben wir bei „Glee“ aber schon Unglaublicheres gesehen, als dass zwei Menschen, die augenscheinlich all die Jahre nicht ohneeinander – aber auch nicht miteinander – konnten, sich spontan zu einer Hochzeit entschließen, nachdem ihnen von der Mutter ihres toten besten Freundes bzw. Stiefbruders eingetrichtert wurde, dass das Leben zu kurz ist, um seine Träume nicht hier und jetzt zu verwirklichen.

Ja, wir bei „Glee“ mussten schon ganz andere Dinge schlucken. Und irgendwie kümmert es uns auch nicht mehr, was mit unseren Lieblingen geschieht. Zu viel wurde in den vergangenen Staffeln vom Autorenteam falsch gemacht, zu sehr hat man die einst so einzigartige Serie ad absurdum geführt: „Glee“ verkam mit der vierten, spätestens mit der fünften Staffel immer mehr zum satirischen Abbild seiner selbst. In einigen lichten Momenten – wie zum Beispiel die herrlich überdrehte Doppelfolge „The Hurt Locker – machte „Glee“ sein satirisches Abrutschen zum Thema der Story selbst, wodurch eine wundervolle und sogar kluge Meta-Ebene entstand. Allzu oft aber schienen sich die Autoren ihrer Fehler nicht bewusst zu sein und beförderten die Serie somit mehr und mehr nicht nur ins kreative, sondern auch ins Quoten-Aus.

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Wir erinnern uns

Genau diese emotionale Distanz zu den Figuren ist es auch, die verhindert, dass einem „A Wedding“ nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Man bleibt dran, weil man wissen will, wie die verrückte, quietschbunte Reise endet, aber emotional gefangen sind wir Zuschauer schon lange nicht mehr – und hat eine Serie einmal diesen Punkt bei Fans erreicht, dann ist eine Absetzung die einzig logische Folge.

Eigentlich ist’s schade, denn im Grunde war „A Wedding“ keine schlechte Episode: Man nahm reichlich Bezug auf die Vergangenheit (The Troubletones! Sugar Motta! Artina! Mike! Finn!) und bemühte sich, die bekannten und einst so geliebten Figuren wieder im besten Licht erscheinen zu lassen: Brittany überzeugte in guter alter Brittany-Manier, Santana zeigte Gefühle und Krallen zugleich, Rachel hielt sich angenehm im Hintergrund (auch wenn ich mehr und mehr realisiere, dass Leah Michelle keine Schauspielerin ist, der man das gebührende Rampenlicht verweigern sollte), bei den Gesangeinlagen galt endlich wieder das Motto „Qualität vor Quantität“. Auch die Hochzeitszeremonie selbst war romantisch, aber nicht kitschig inszeniert, während der Hochzeitsgelübde von Brittana und Klaine, die parallel zueinander gezeigt wurden, kam sogar ein Gefühl der Sentimentalität, des Glücks und des Vergebens auf Seiten des Zusehers auf. Und während der Hochzeit entstand tatsächlich sowas wie Hochzeits-Atmosphäre, was nicht zuletzt den Darstellern geschuldet ist, die kurz vor Ende der Serie, nochmal alle Register ihres Könnens ziehen und mit großer Spiellaune bei der Sache sind.

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Tribut an einstige Traumpaare

Vor allem aber zollte man mit „A Wedding“ jenen Paaren, die solange fixer Bestandteil der Serie waren, überfälligen Respekt: Santana (großartig wie immer: Naya Rivera) und Brittany  bewiesen einmal mehr, dass sie trotz aller Gegensätze füreinander bestimmt und, so nebenbei, einer der hübschesten Hochzeitsbräute der letzten TV-Jahre sind. Kurt und Blaine fanden immerhin wieder zueinander, womit vielen Fans der ersten Stunde dann doch das gegeben wurde, was sie sich im tiefsten Inneren wünschen. Auch die Lovestory von Tina und Mike (der endlich wieder mal seinen Mund aufmachen durfte – im Gegensatz zu Sugar, die wie aus dem Nichts auf der Hochzeit erschien) wurde nach mehr als zwei Staffeln Totschweigens endlich wieder thematisiert: Auch wenn Tinas Antrag an Mike natürlich absoluter Unfug ist (man kann es nicht anders sagen), so ist dieses Verhalten für Tina doch typisch: All die Jahre stets an den Rand gedrängt, enzwickelte die einst so schüchterne Asiatin einen immer größeren Geltungsdrang, der vor allem auf ihrer Eifersucht auf ihre so erfolgreicheren Freunde basiert – klar also, dass Tina in einer Folge, in der sich alle das Ja-Wort zu geben scheinen, am Erfolg und an den großen Gefühlen mitnaschen will. Dass Mike den Antrag nicht annimmt, ist ein weiser Zug der Autoren (hab ich das grad gesagt?!), auch wenn man sich nicht ganz dem Gefühl entbehren kann, dass es sich hier nur um eine weitere Möglichkeit handelt, Tina eins auf den Deckel zu geben. Es folgt aber eine rührende erneute Annäherung zwischen Mike und Tina, die Zukunft der beiden wird dabei auf angenehme Weise offen gelassen. Endlich dürfen wir uns für unsere Lieblinge selbst ein wohlwollendes Ende aussuchen – ein Ende, das sicherlich liebenswerter und vor allem passender ist, als es sich die Autoren ausdenken würden (oder könnten).

Auch, dass Artie als Tinas Backup-Ehemann fungiert (sollte sie mit 30 Jahren, schließlich ein Alter, an dem der Lebensherbst beginnt, nicht verheiratet ist), ist rührend. Fast hätte man vergessen, dass Tina und Artie einst ein so süßes Pärchen abgaben – und endlich dürfen wir auch wieder mal am „Tuesday-Brunch“ der beiden teilhaben. Hier besinnt sich die Serie auf ihre Vergangenheit, zollt den Figuren den nötigen Respekt und überzeugt vor allem mit leisen Tönen – wieso nicht immer so?!

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Sogar Rachel und Sam – auch Samchel genannt – entwickeln ihre plötzlich aufkommenden Gefühle für einander leise und vorsichtig, lassen es langsam angehen. Dass keiner Finn Hudson das Wasser reichen kann, wissen die Autoren, weshalb sie Samchel nicht mit Gewalt in den Vordergrund drängen, Rachel aber trotzdem endlich wieder die Möglichkeit schenken, glücklich zu werden – hoffen wir, dass sich daran in den nächsten Wochen nichts mehr ändert. Auch, dass es der Serie seit dem tragischen Tod von Cory Monteith immer wieder gelingt, Finn unauffällig, ohne viel Worte, aber doch immer mit großen Gefühlen in die Story zu inkludieren, bedarf ein respektvolles Hutziehen. Die Szene, in der Rachel wortlos das Einverständnis von Finns Mum einholt, um sich Sam emotional annähern zu dürfen, ist eines der stillen und doch umso stärkeren Highlights der Episode.

Die Vergangenheit lässt sich nicht leugnen

Also: Misslungen war die Episode „A Wedding“ keineswegs. Leider aber steht (fast) keine Serienfolge für sich alleine und muss immer mit den Auswirkungen der Vergangenheit kämpfen. Auch, wenn sich die Autoren noch so sehr bemühen: Kurt und Blaine, obwohl einst so süß und unschuldig begonnen, sind schon längst kein Traumpaar mehr. Die Beziehung der beiden in den letzten Jahren – sofern sie überhaupt vorhanden war – war geprägt von Misstrauen, Eifersucht, Häme, Unsicherheit und Wut. Blaine entwickelte sich mehr und mehr zur Personifizierung von Kurts Ängsten und Schwachstellen, Kurt wiederum war in Verbindung mit Blaine beinahe nur noch im Stande, seine negativen Charaktereigenschaften herauszukehren. Dass sich ein Pärchen entwickelt und vor allem in einer TV-Welt zahlreiche Höhen und Tiefen durchmacht, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch erwünscht: denn, let’s face it, immer nur glückliche Pärchen sind auf die Dauer langweilig.

Und doch ist die Entwicklung von Klaine nicht glaubwürdig: Zu schnell wechselten sie vom Beziehungs- in den Ex-Paar-Modus (und wieder zurück), zu viele folgenreiche Entscheidungen sind auf beiden Seiten gefallen, die das Gegenüber zutiefst verletzt haben. Ähnliches gilt übrigens auch für Brittana: Auch wenn ich ein absoluter Verfechter dieses Paares bin, das sich vom Cheerleader-Joke zu einem der stärksten homosexuellen Pärchen im TV wandelte, so gab man beiden Figuren schlicht und einfach zu wenig Screentime, um ihr Wachsen als Pärchen gebührend zu verfolgen. Fanden sie plötzlich in der fünften Staffel wieder zusammen (wie aus heiterem Himmel, natürlich), waren sie danach gleich wieder vom Erdboden verschluckt und keiner wusste eigentlich, was zwischen den beiden nun abging oder auch nicht – by the way: Wurde Dani (Demi Lovato) eigentlich jemals darüber informiert, dass es zwischen ihr und Santana vorbei ist? Und wenn wir schon dabei sind: Wo war eigentlich Elliot, nach Kurts Aussagen schließlich einer seiner besten Freunde? Von Quinn Fabray ganz zu schweigen.

Zuviel ist vorgefallen, um während „A Wedding“ nicht die ganze Zeit darüber nachzudenken, wie lange es wohl dauert, bis sich Klaine (und vielleicht auch Brittana) wieder scheiden lassen. Wir haben schließlich alle das „HIMYM“-Finale gesehen.

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Schnell, das Ende naht!

So bleibt am Ende von „A Wedding“ ein Gefühl des Gehetzt-Seins, des Drängelns der Autoren, kurz vor Ende doch noch alles richtig zu machen, die vergangenen Fehler auszubügeln – egal, ob die Logik dabei Schaden nimmt.

Eigentlich würden wir uns so gerne über Brittana und Klaine freuen. Wenn wir nur genügend Interesse dafür aufbrächten. Wir würden es uns so sehr wünschen. Really. We do.

Einen interessanten Einblick hinter die Kulissen gibt es übrigens hier. Und hier

 

Copyright aller Bilder: FOX

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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