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Published on September 24th, 2013 | by Manuel Simbürger

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House Of Cards: ein Politthriller erster Güte

Wieso “House of Cards” so viele Emmys verdient hätte.

„Ich nutze Menschen bloß aus, wenn ich sie danach wegwerfen kann.“ Kongressabgeordneter Francis „Frank“ Underwood ist ein Unsympathler. Ein Politiker, wie man ihn sich vorstellt, nur noch schlimmer: Arrogant, korrupt, nur die eigene Macht vor Augen. Seine Mitmenschen, ja selbst der Präsident der Vereinigten Staaten, sind für ihn bloß Marionetten. Und er ist der Puppenspieler, der es liebt, die Fäden in der Hand zu haben. Und der noch mehr daran Gefallen findet, diese Fäden ohne Vorwarnung zu durchtrennen, wenn es dem eigenen Vorteil nutzt.

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Anspruchsvolle Unterhaltung

Willkommen in der Welt von „House of Cards“. Genau, jener Serie, die vom Internetanbieter „Netflix“ mit viel, viel Geld (kolportierten fünf Millionen USD) und großen Namen wie David Fincher, Kevin Spacey und Robin Wright Penn produziert wird und neunmal für den Emmy nominiert war – und aufgrund der Trotzreaktionen der Emmy-Jury schlussendlich leer ausging. Völlig zu Unrecht. „House of Cards“ gehört zu den größten Überraschungen der vergangenen TV-Saison und ist ein Juwel serieller Unterhaltung. Mehr noch: „HOC“ ist der beste Beweis dafür, dass sich hohes Niveau und spannende Unterhaltung nicht ausschließen. Und dass die besten Geschichten eben doch im Serien-Format erzählt werden.

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Bildungspolitik als Politthriller

„HOC“ vollbringt gleich mehrere Kunststücke. Da wäre zum Einen, dass die Serie es schafft, Themen wie Bildungspolitik, Gesetzesentwürfe und Umweltpolitik so richtig spannend zu machen. „HOC“ ist ein Politthriller erster Güter, ein bisschen im Stil von „The West Wing“, aber ganz weit weg von den Politik-Klamauk-Formaten „Veep“ oder gar „Chaos City“. Dass die ersten Folgen der Serie Kultregisseur David Fincher (u. a. „Se7en“) inszenierte (er ist außerdem als Produzent hinter den Kulissen tätig), tat „HOC“ mehr als gut und verschaffte ihm einen großen Prestige-Vorsprung: Ist Fincher doch spätestens seit „The Social Network“ bekannt, so sperrige und auch trockene Themen wie Copyrightverletzungen oder eben Bildungspolitik derart spannend zu inszenieren, als ob es sich hier um die schockierendste Mordserie der Menschheit handele. Zwar schaffen es die späteren „HOC“-Episoden nicht mehr ganz, die atmosphärische Fincher-Dichte der ersten Folgen aufrecht zu erhalten, Langeweile kommt hier aber nicht eine Sekunde auf. Mit sparsam eingesetzten, aber effektiv verwendeten Plottwists und eine sehr – im wahrsten Sinne des Wortes – dunkle Atmosphäre (schon mal aufgefallen, dass es bei „HOC“ so gut wie nie hell ist und sich die Figuren auch im trauten Heim am liebsten im Dunkeln aufhalten?) präsentieren uns Fincher und seine nachfolgenden Regiekollegen (u. a. Joel Schumacher) ein angsteinflößendes Abbild unserer Welt, unserer Gesellschaft, unserer Politik. Es lässt einem beim Ansehen von „HOC“ der Gedanke nicht los, im Autorenteam sei ein Ex-Mitarbeiter des Weißen Hauses gewesen, der so authentische, intime und intensive Blicke hinter die politischen Kulissen möglich machte Spätestens seit „HOC“ wissen wir ja, dass es immer wieder Spitzel und Verräter in den obersten Reihen gibt …

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Unsympathler

Das zweite Kunststück von „HOC“ ist es, die Zuseher trotz durch die Bank unsympathischen Figuren bis zum Staffelfinale (eine zweite Staffel ist bereits fixiert) zu fesseln. Frank Underwood? Der Polit-Teufel höchstpersönlich. Wenn er immer wieder seine Worte direkt an das Publikum vorm TV-Bildschirm richtet, wird einem selbst angst und bange. Natürlich gliedert sich Underwood perfekt in den Trend der „seriellen Anti-Helden“ ein, steht in seiner Kälte sogar um (fast) nichts DEM Anti-Held unserer Zeit, Dexter Morgan, nach. Man bleibt nicht dran, weil man so an Underwood hängt und man sich wünscht, er erreiche seine Lebensziele. Man bleibt dran, weil man faszinierend von seinen Machtspielchen ist und man wissen will, wen er als nächstes ins Verderben stürzt, um selbst an die (politische) Macht zu kommen. Erinnert ein bisschen an Hannibal Lecter.

Seine Kollegen und Untergebenen? Genauso machtgeil, wenn innerlich auch oft zerrissen. In der Welt von „HOC“ scheint es nur Menschen zu geben, die die richtigen Dinge aus den falschen Beweggründen tun. Oder die so gerne „gut“ sein wollen, es aber einfach nicht schaffen. Tragische Figuren, wohin man schaut. Mutig: Sogar Underwoods Ehefrau Claire ist nicht, wie in vergleichbaren Formaten so oft, das sensible Ehefrauchen, sondern wie Frank eine Karrierefrau, die weiß, dass schwere Entscheidungen auf der Karriereleiter unabdingbar sind. Claire ist im Grunde aber die faszinierende Figur der Serie, offenbart sie doch immer mehr ihre verletzliche, nachdenkliche Seite, gerät aber nie in Gefahr, die farblose Politikergattin zu werden. Aber sie ist es, die nach und nach das Tun, das Leben von ihr und ihrem Mann hinterfragt, kurzzeitig auszubrechen versucht, aus Pflichtbewusstsein (und des doch so angenehm anfühlenden Gefühl der Macht) dann aber doch zu Frank und ihrem Leben zurückkehrt.

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Keiner ist „einfach nur böse“

Dass die Figuren trotzdem nicht eintönig, eindimensional und unglaubwürdig wirken, greift „HOC“ brav auf die Autorenregel „Kein Mensch ist durch und durch böse“ zurück. Jedes menschliche Verhalten hat seinen Grund. Also gibt es immer wieder kurze Momente, in denen alle Figuren auch ihre „menschliche“ Seite zeigen – und man versteht plötzlich, wieso sie so sind, wie sie sind. Wieso sie so handeln, wie sie handeln. Diese Momente können einen Bruchteil einer Sekunde andauern, sind oft nur in Gesten, in Blicken oder einer stummen kurzen Szene erkennbar. Auch das macht das Zusehen bei „HOC“ so spannend: Jede Szene ist so detail-verliebt inszeniert, so atmosphärisch dicht, dass man immer wieder Neues entdeckt.

Und, weil wir vorher von Macht gesprochen haben: Faszinierend, wie „HOC“ es schafft, die unterschiedlichsten Bedeutungen und Arten von Macht darzustellen und in die Handlung einzubauen. Ob es sich um politische Macht, Macht in einer Ehe, die Macht zwischen Medien und Politik, sexuelle Macht, Macht von Süchten oder sogar die Macht der Liebe handelt – jede einzelne zwischenmenschliche Beziehung, jedes einzelne Handeln ist in „HOC“ von Macht getrieben. Diese Macht (ob sie die Figuren nun bereits haben oder verzweifelt nach ihnen Streben) ist fast schon mit den Händen greifbar – aber auch, dass jede Art von Machtgefüge ohne Vorwarnung jederzeit in sich zusammenbrechen kann. Wie ein Kartenhaus („House of Cards“) geben. Was „HOC“ auf uns noch faszinierender wirken lässt. Hier wird auch als einziges spürbar, dass „HOC“ eine „Netflix“-Serie ist: Solch offene Kritik und derart messerscharfe Dialoge darf man sich eben nur als Netz-Channel erlauben. Oder wenn man HBO heißt.

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Spacey liefert beste Performance seit Jahren

Unerwähnt darf natürlich auch nicht die schauspielerische Leistung bleiben. Der Cast ist bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt und hochtalentiert. Kevin Spacey und Robin Wright Penn liefern als Ehepaar Underwood ihre Performance ihres Lebens und waren absolut zurecht für einen Emmy nominiert. Dass Spacey ambivalente Figuren, die auch über Leichen gehen, um ihre Ziele und Ideale durchzusetzen, am besten stehen, bewies er schon in „Das Leben des David Gale“. Wright Penn schafft den gefährlichen Spagat zwischen Politikerfrau-Klischee und faszinierender Frauenfigur. Hervorragend auch Kate Mara als vom Ehrgeiz zerfressene und höchst ambivalente  Jungjournalistin Zoey Barnes und Corey Stoll als Problem-Politiker Peter Russo.

Fazit

„House of Cards“ ist ein gelungener düsterer Mix aus Politthriller und Charakterstudie, der es schafft, sogar so trockene Themen wie Bildungspolitik höchstspannend umzusetzen. Hervorragend besetzt bis in die kleinste Nebenrolle und mit Starregisseuren wie David Fincher und Joel Schumacher hinter der Kamera ist „House of Cards“ einer der gelungensten, innovativsten, vielschichichtigsten und mutigsten Serienproduktionen der letzten Jahre. Wenn serielle Unterhaltung aus dem Internet so aussieht, müssen sich die TV-Sender wohl warm anziehen.


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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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