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Published on Oktober 21st, 2015 | by Manuel Simbürger

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Hotel Gaga

Pop-Ikone Lady Gaga zieht in der aktuellen „American Horror Story“-Version „Hotel“ die blutigen Fäden. Gaga und „AHS“ sind ein Match in Heaven. Oder doch nicht?

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„American Horror Story: Hotel“, die FX-Horror-Blut-Leichen-Grauslig-Drogen-Gaga-Fetisch-Serie, und Lady Gaga, der Glamour-Perücken-Klamotten-Glitzer-Drogen-Gaga-Fetisch-Popstar, das passt wirklich wie die Faust aufs Auge. Nur, das kann der eine oder andere Leser vielleicht bestätigen, tut eine Faust auch manchmal so weh, dass man sich wünschte, man wäre ihr ausgewichen. Weil zurückbleiben tut neben dem meist unvermeidlichen blauen Auge auch das quälende Gefühl: Wie hab ich das nur nicht kommen sehen?!

Also: Gaga und „AHS: Hotel“, ja, das hat schon was. Und trotzdem mag es nicht so recht funktionieren, obwohl man ja eigentlich so gut zusammen zu passen scheint. Weil sich in Kombination die Schwächen (aber auch ein bisserl die Stärken, so ehrlich muss man sein) von Serie und Popstar gegenseitig beeinflussen und so noch mehr verstärken. Eine kleine Analyse.

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Extralanges Gaga-Musikvideo

„AHS: Hotel“ wirkt ein bisserl so wie ein überlanges Gaga-Musikvideo. Da und dort darf die Lady mit extravaganten Kunst-Fashion-Houe Couture-Klamotten herumrennen und sich von halbnackten, sehr sexy Typen befummeln lassen (und dabei natürlich auch selbst sehr viel Haut zeigen). Die Optik – obwohl zumindest bei „Hotel“ erschrecken stark an 1980er-Slash-Porn-B-Movies erinnernd – reiht sich irgendwo zwischen Avantgarde, Barock und Moderne ein, liebt Close-Ups von irgendwelchen Körperteilen (und Gagas Gesicht) und geizt natürlich mit allzu viel Helligkeit, schließlich würde dies den künstlerischen Unterton völlig minimieren („Schwarz ist die Nacht-Farbe der Kunst!!“ Oder so). Taucht die Lady selbst auf, wird sie beinahe schon übertrieben anbetungswürdig ins rechte Licht gerückt. Die Gaga-typischen Perücken und allen voran Metaphern und Hommages an andere Kunstwerke dürfen natürlich auch nicht fehlen (klaut zitiert Gaga mal gerne von Pop-Klassikern Madonna und David Bowie, nimmt „Hotel“ fast schon zu aufdringlich Anleihen an Genre-Klassiker wie „Shining“ oder der „Saw“-Filmreihe). Das geht natürlich mit einem großen, nein, gigantischen (oder gaga-ntischen, haha!) Hang zur Theatralik einher. „AHS“ als auch Gaga scheuten von Beginn an nicht davor zurück, over the top zu sein – und das auch nicht zu verstecken. Kunst ist nun mal Opulenz, ist larger than life, mag man uns sowohl im „AHS“- als auch im Gaga-Universum weiß machen. Das ist okay, erfrischend sogar, weil es oftmals mit Mut und Kreativität einhergeht. Nur wären wir dann schon bei der nächsten Schwachstelle:

Schock wegen des Schock-Willens

„AHS“ erfindet sich jede Season neu, greift dabei aber stets auf bekannte Werkzeuge und Methoden zurück (allen voran die immer selben, aber stets vollkommen neu erfundenen Gesichter). Auch bei Gaga kann man schon froh sein, die Gute überhaupt von der einen Single zur nächsten, von Auftritt zu Auftritt wieder zu erkennen – was man aber durchaus bewundern muss und darf, denn von Poptrash-Starlet zu Jazz-Lady zu „Sound of Music“-Goldkehlchen, das schaffen wohl nur die wenigsten. Diese ständigen Transformationen sind spannend, keine Frage. Und trotzdem, nach all den Jahren bleibt ein gewisser „Been there, done that“-Geschmack zurück, obwohl man ja eigentlich weder there war noch that getan hat. Wieso? Weil sowohl „AHS“ als auch Gaga (auch wenn diese erst kürzlich brav etwas anderes betonte) immer mehr nur noch schockieren um des Schockierens-Willens. Auf der einen Seite geschieht das in Form von „Meat Dress“-Kleidern, So-gut-wie-nackt-Fotos oder einem sexy Judas/Jesus-Musikclip (bzw. einem Alien-Monster-Video), auf der anderen Seite versucht man das Schockieren im Gewand von Blutorgien, Gewaltsex jeglicher Form und grafischen Folter-Szenen. Klar, all das gehört zur „AHS“- und der Gaga-Marke dazu, macht sie aus. Ist in Ordnung – und regt auch gleichzeitig zur öffentlichen Diskussion an, wie über Vegetarismus beim „Meat Dress“-Auftritt oder über immer noch totgeschwiegene männliche Vergewaltigungen nach der acht Minuten langen Rape-Szene mit Max Greenfields (ja, Schmidt aus „New Girl“!) in der Auftaktfolge von „Hotel“.

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Nur: Irgendwann stumpfen auch die härtesten, schockierendsten Bilder ab. Lösen nicht mehr das in uns aus, was sie auslösen soll(t)en. Weil man weiß: Jaja, alles klar, ihr seid ach so grenzüberschreitend, wir haben’s verstanden. Natürlich soll uns der bloody foursome von Gaga und Matt Bomer im „Hotel“-Piloten an die Charaktere näher heranführen und uns in deren Psyche, deren Welt eintauchen lassen. Trotzdem ist es ziemlich offensichtlich, dass hinter der Szene vor allem die media attention-Absicht steht und nicht die Charakteranalyse. Schade. Da mag die Szene noch so raffiniert inszeniert sein: ein innerliches Augenrollen ist sowohl bei „Hotel“ als auch bei Gaga mittlerweile nicht mehr zu vermeiden.

Am Ende bleibt man überfordert und etwas ratlos zurück. Finden wir das jetzt gut, was wir grad gesehen haben (und ich rede nicht von diversen Rape- oder Sex-ist-Abartig-Szenen)? Aber vielleicht soll’s ja auch so sein.

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Gaga, Mutter aller Monster

In der „AHS“-Franchise dreht sich alles um Monster, in allen erdenklichen Variationen: Geister, Massenmörder, Hexen, Killer-Clowns, Nazis, Gummifetischisten, vom Teufel besessene Klosterschwestern, Zirkusfreaks oder, ganz aktuell, Vampire. Man könnte auch sagen: „AHS“ ist von gesellschaftlichen Außenseitern ziemlich fasziniert, und nicht alle Freaks bzw. Außenseiter im Franchise sind der dunklen Seite (oder sonst was freakiges) verfallen. Hier passt es tatsächlich ganz gut, Gaga ins Boot zu holen, und ist eigentlich auch wenig überraschend – ist die Lady doch seit dem ersten „Poker Face“-Moment an DIE Verfechterin aller gesellschaftlichen Unterdrückten, insbesondere der LGBTI-Community (die bekanntermaßen auch in „AHS“, insbesondere „Freak Show“ und „Hotel“ einen großen Stellenwert einnimmt, sei es nur mittels halbnackten Hunks wie Bomer oder der Tatsache, dass es hier einfach jeder mit jedem treibt – no complaining here!). „Mother Monster“ wird Gaga von ihren Anhängern verquert-liebevoll genannt, weil wir ja alle Freaks, alle kleine Monster sind (oder und zu fühlen), die ihren Platz in der Welt suchen, aber nicht immer finden. Das macht sie auch im „Born this way“-Video deutlich, wo Gaga selbst halbnackt und mit Totenkopf-Gesicht herumtänzelt, sich beim Coitus zeigt und eine neue Art von Spezies gebärt – vielleicht ja bereits eine erste Bewerbung an Ryan Murphy und „AHS“. Und: Sogar die Gaga-typische „Monsterkralle“, zumindest eine Zeit lang das Markenzeichen der Sängerin, wird in „Hotel“ (auch und vor allem auf den Promoplakaten) fast schon ein wenig zu aufdringlich zelebriert.

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Und Gaga als Vampir? Auch wenn die Gute leider bei weitem nicht die beste Schauspielerin ist (hat sie als The Countess eigentlich mehr als einen einzigen Gesichtsausdruck zu bieten?!), umgibt sie doch dieselbe mysteriöse, undurchdringliche und gleichzeitig so mysteriöse Aura, die auch die Untoten zu etwas Besonderem (nämlich die mit Abstand besten Gruselfiguren der Horrorgeschichte EVER!) macht. Und irgendwie haben wir immer schon alle geahnt, dass Gaga nicht wirklich menschlich ist.

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Die Lady Gaga-Falle

Hört sich bisher alles gar nicht so schlecht an und eh okay, eigentlich? Stimmt. Der größte Schwachpunkt in der Gaga-„Hotel“-Kollabo ist auch nicht der Hang zur Theatralik oder zum Schockieren (und sicher nicht all die sexy Typen!), sondern, dass „AHS“ mit der neuen Staffel mehr denn je in die „Lady Gaga“-Falle tappt: Die Verpackung, die Vorfreude ist weitaus größer als der Inhalt selbst.

„AHS“ als auch Lady Gaga sind Meister in Sachen Vermarktung. Keine Season, kein Album ohne vorherigen medialen Buzz. Wohin geht die künstlerische Reise diesmal? Wird man den Enttäuschungen der letzten Monate oder gar Jahre vergeben, weil es in einem doch noch immer die Hoffnung gibt, dass alles doch noch besser wird? Weil man an dem Produkt hängt, liebt, in ihm Potenzial sieht? Verständlich, denn diese Hoffnungen werden ja auch gezielt gefüttert: Zu Beginn jeder „AHS“-Season schaut alles immer ganz, ganz toll aus. Tolle, faszinierende Promos, die nie zu viel, aber doch gerade genug verraten, um die Neugier bis ins Unermessliche steigen zu lassen. Kathy Bates? Chloe Sevigny?! Matt Bomer??!! Angela Bassett???!!! Jessica Lange???!!!! Frances Conroy?????!!!!! LADY GAGA?????!!!! Für Nerds  Popkultur-Liebhaber ist „AHS“ so etwas wie serielles Viagra. Und dann all die Teasers, die einem – auf merkwürdige Art und Weise – den Mund wässrig machen: Greenfield, der lustige Typ aus der adorkable-Sitcom „New Girl“, wird in einer „erinnerungswürdigen Szene zu sehen sein, die alles bisher Dagewesene aus ‚AHS‘ in den Schatten stellen wird“, hieß es zum Beispie. Bomer und Gaga geben ein Liebespaar, die ihrem Hang nach Sex und jeglicher Form von Sucht leidenschaftlich und allzu grafisch nachgehen wird, hieß es auch noch. Und schon allein die Prämisse dieser Staffel erinnert an die durch und durch gelungene erste Staffel von „AHS“: Ein Gebäude, in dem Schrecken geschehen, die man sich nicht vorstellen kann, Psychen und menschliche Existenzen auf eine Art zerstört werden, wie man es bisher nicht mal im TV zu sehen bekam. „AHS“ funktioniert immer dann am besten, wenn das Setting klein gehalten wird und die Darstellergruppe auf engstem Raum miteinander (oder gegeneinander) agieren muss. Bei Gaga ist es mit den geschürten Erwartungen ähnlich: „‘Artpop‘ erfindet das Popgenre neu“, ließ die Sängerin vor Release ihres Albums großspurig verlautbaren. Auf die Erleuchtung warten wir noch heute.

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Am Ende wird recht schnell klar: Vorfreude ist immer die schönste Freude. Die Songs auf „Artpop“ sind, wie schon auf den Vorgängern, nicht mehr als durchschnittlicher Discopoptrash, der zwar mit dem einen oder anderen Juwel aufwarten kann, im Großen und Ganzen aber bei weitem nicht der PERSONA, dem Hype um ihre Person gerecht wird. Auch „Hotel“ hat durchaus interessante Ansätze, bleibt aber hinter den Erwartungen zurück. Trotz diverser Schockmomente (obwohl: die Rape-Szene und der Vampir-Vierer sind aufwühlend, man hat in den vergangenen Staffeln aber schon Ärgeres präsentiert bekommen!) ist die Story langweilig und im Grunde unoriginell, die Figuren uninteressant, die Dialoge gestelzt. Prinzipiell ein Manko des Franchises: Weil „AHS“ sich Season für Season neu erfindet, setzt man auf einzelne Schockmomente und die Wandlungsfähigkeit seiner Darsteller (und für letzteres: kudos!), zu den Figuren selbst entwickelt man allerdings keine emotionale Verbindung – was auch nicht die Absicht von Murphy und Co. ist, schließlich muss man sich nach nur 13 Folgen eh schon wieder von ihnen verabschieden und offen für Neues sein.  Die Botschaft ist klar: Eine Affäre ist bei „AHS“ erlaubt, aber sicher keine langfristige Beziehung mit tiefgehenden Gefühlen.

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Die Marke Gaga funktioniert streng genommen nach einem ähnlichen Prinzip: So schnell wird der Stil, die Persona gewechselt, dass diese beinahe nihts mehr sind als Masken werden, die das Wahre verstecken. Zwar gibt sich Gaga als Star zum Anfassen, ist aber in Wirklichkeit doch unerreichbar – oder besser: un-fassbar. So oft, so schnell, so hektisch zeigt sie uns ihre verschiedenen Seiten, dass man keine Zeit zum Luftholen bekommt – und irgendwann das Gefühl bekommt, nicht mehr zu Atem zu kommen.

Kurz: Sowohl „AHS“ als auch Lady Gaga versprechen mehr, als sie schlussendlich tatsächlich halten können. Der Hype um sie ist derart groß, dass er zum einen genauso schnell wieder abflaut, wie er gepusht wurde, zum anderen führt er dazu, dass man leicht übersieht, dass das Endergebnis oft nicht besser ist als (vielleicht guter) Durchschnitt, der bloß in einer in den Bann ziehenden Avantgarde-Verpackung daherkommt. Es bleibt ein quälendes und enttäuschendes Blah-Gefühl zurück. Gleichzeitig bedeutet das aber auch: Die Erwartungshaltung an „AHS“ (also eigentlich: Ryan Murphy und Brad Falchuk) und Lady Gaga sind von vornherein derart hoch, dass es fast schon unmöglich ist, sie zu erfüllen. Weil, auch das muss man sagen: Sowohl „AHS“ als auch Gaga haben bereits mehrfach bewiesen, wie großartig ihre Kunst sein kann – vor allem dann, wenn sie subtilen Tönen anstatt lautem Getöse mit viel Chichi den Vorzug geben.

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Aus dieser Sphäre aber auszubrechen ist für beide Franchises (denn nichts anderes ist auch Gaga) mittlerweile unmöglich, beide Produkte sind larger than life – und wie auch das Leben selbst enttäuschen auch sie regelmäßig. Vielleicht liegt die wahre Kunst ja auch einfach darin, diese anzunehmen und zu akzeptieren. Weil wir wissen, dass sie auch anders können. Dass beide eine tolle Stimme haben, die sie jedoch nicht immer richtig einsetzen, sodass diese oftmals nicht in ihrem vollsten Umfang zur Geltung kommt. Weshalb wir ihnen die Treue halten.

Wieso?

Weil wir immer noch die Hoffnung haben: Vielleicht wird’s ja wieder besser.

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Fotos: FX, Screenshot

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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