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Published on August 10th, 2013 | by Manuel Simbürger

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Die wunderbare (sexy) Wandlung der Jennifer Aniston

Es ist eine Krux mit Jennifer Aniston. Die 44-jährige US-Schauspielerin, die seit Jahren nicht zu altern scheint, macht es einem aber auch nicht einfach. In „Friends“ (jener Hit-Sitcom, dessen Finale im Jahr 2004 unglaubliche 52 Millionen US-Amerikaner beiwohnten) war sie ohne Zweifel der Star – zu schön, zu talentiert, zu trendy war sie, um in den Hintergrund zu rücken. Kritiker waren begeistert, bescheinigten der Aniston ein treffsicheres Pointen-Timing mit der richtigen Schuss Dramatik. Vom „Rachel-Cut“ wollen wir erst gar nicht sprechen, die Frisur ist heute noch, fast 10 Jahre nach der Pilotfolge, Kult. Aniston wurde beinahe schon kultisch verehrt, katapultierte sich mit 1 Million (!) US-Dollar pro „Friends“-Folge an die Spitze der bestbezahltesten US-Serienstars und konnte mir RomCom-Erfolgen wie „Bruce Almighty“ oder „… and then came Polly“ auch noch auf der großen Leinwand Riesenerfolge verbuchen. Als sich dann auch noch Schönling-Ehemann Brad Pitt von ihr trennte und lieber Neo-Mutter Theresa Angelina Jolie dem Vorrang gab, lag ihr die USA (und eigentlich die ganze Welt) sowieso zu Füßen. Wie kann man Jen, Everybody’s Darling, dem Kumpel von nebenan, nur sowas antun? Aniston war zweifelsohne rund 15 Jahre lang America’s Sweethart. Was sie mit süßen Rollen in noch zuckersüßeren Filmchen wie „Rumour has it“ oder „Marley & Me“ noch gerne und mit voller Tatenkraft unterstrich. Die Aniston war perfekt, die Aniston mochte man eben, ohne Wenn und Aber. Genau das, wonach die USA giert.

Welcher Mann ist’s denn nun?

Aber irgendwann, ja irgendwann gab’s eine Wende. Und bei weitem nicht mehr jeder mochte die Aniston. Dass sie sich auf ihrem Erfolg als Rom Com-Queen ausruhte und nur noch einen belanglosen Film nach dem anderen drehte in den immer selben Rollen in immer unlustigeren Filmen, nahmen ihr auch bald die treuesten Fans übel. Der frühere Kinoerfolg blieb aus, ihre Filme wie „Love happens“, „Management“ oder „The Bounty Hunter“ (der übrigens gar nicht mal so schlecht war, wie die meisten meinen) floppten an der Kinokasse. Dass sie selbst bei Interviews gar nicht so Sweetheart ist, sondern oft schlecht gelaunte, zickige und knappe Antworten von sich gibt, kam auch immer mehr an die Öffentlichkeit und brachten ihr den Ruf einer „Diva“ ein. Vor allem aber war es ihr Medienimage, das Anistons Karriere immer mehr Schaden zufügte: Nicht über ihre Filme, sondern über ihre zahllosen Männer-Affären wurde getratscht und geklatscht. Wann findet die süße, arme Jen denn nun endlich die große Liebe nach dem Brad-Schreck? Wird sie endlich wieder glücklich sein? Ist sie überhaupt für eine langfristige Beziehung geschaffen? Irgendwann hängte das sogar den Journalisten selbst zum Halse raus.

Sexy Vamp

Aber irgendwann, ja irgendwann gab’s dann wieder ne Wende. Und zwar im Zeichen des 2011er „Hangover“-Klamauk-Films „Horrible Bosses“, indem Aniston endlich – ENDLICH! – komplett gegen ihr Image besetzt wurde und eine sexbesessene Zahnärztin gab, die ihrem männlichen Angestellten mit aller Kraft an die Wäsche wollte. Zwar nur eine Nebenrolle, aber die hatte es so in sich, dass Anistons Leistung von der Kritik als einzig positiver Aspekt dieses Film-Unfalls bewertet wurde. Kein Wunder, Aniston gab die Nymphomanin mit derart viel Freude und Lust an der Darstellung, dass man sich ihrer Wirkung auch als prüdester Zuseher nicht entziehen konnte. So derb, so gemein, so frei und losgelöst hat man Aniston zuvor (fast) noch nie gesehen. „Für mich war es keine Frage, OB ich die Rolle annahm, sondern nur, WANN ich es tat“, gab sie in einem späteren Interview mal zu Protokoll. Verständlich, denn als Geschäftsfrau, die Aniston im Grunde ihres Herzens ist, wusste sie damals: Sie musste aus der Opferrolle raus. Sie durfte nicht mehr das Mädel sein, das von der ganzen Welt bemitleidet wird, weil sie keinen Mann abkriegt. Sie durfte nicht mehr RomCom nach RomCom drehen, um auch in einigen Jahren noch als Schauspielerin ernst genommen zu werden (und nicht so zu enden wie Katherine Heigl). Also hieß das Motto ab nun: Sexy Vamp statt braves Mädel, ultra-derbe Witze statt romantisches Gekichere. Als sie 2012 einen MTV-Award für ihre Rolle in „Horrible Bosses“ entgegen nahm, brachte die Schauspielerin ihre Wandlung selbst auf den Punkt: „I would like to say thank you to the television show Friends for letting me unleash my inner-sweetheart, and here’s to (Horrible Bosses director) Seth Gordon for letting me be a dirtbag.“

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Ein paar Schritte zurück

Wobei: eigentlich scheint Aniston keinen Schritt nach vorn, sondern sogar einige zurück zu nehmen. Und wieder zum Beginn ihrer Karriere zurückzukehren. Da spielte sie auch in unkonventionellen (wenn auch meist konservativen) Streifen wie „The Object of my Affection“ oder „Rock Star“. Großes Kritikerlob bekam sie für ihre authentischen und unerschrockenen Darstellungen in den Independent-Movies „The Good Girl“ (Aniston war damals sogar für eine Oscarnominierung im Gespräch!) und „Friends with money“. Das konnte sie so gut, dass Kritiker und Fans sogar flehten, sie wolle doch bei den kleinen Indie-Filmen bleiben und dem großen, lauten Mainstream dem Rücken kehren. Tat sie allerdings nicht, ironischer Weise der Karriere wegen. Verständlich, irgendwie. Trotzdem schade. Vor allem, weil es damals für einen Stilwechsel im Mainstreambereich noch zu früh war: Ihr Thriller „Derailed“, in dem sie eine sexy Femme Fatale gab, wurde 2005 gnadenlos zerrissen, ihre Darstellung als unglaubwürdig abgetan (zu Unrecht, wenn mich mal wer fragt).

Dass Aniston aber auch seit jeher eine andere Seite als die harmlos-süße Comedydarstellerin hat, bewies sie in den letzten Jahren immer wieder, wenn auch zum Teil abseits der großen Öffentlichkeit. 2006 brillierte sie erfolgreich als Regisseurin des Kurzfilms „Room 10“ (auf YouTube zum Anschauen!), 2011 inszenierte sie eine Episode des TV-Episoden-Films „Five“, der sich auf verschiedene Arten mit dem Thema Brustkrebs auseinandersetzt. 2012 war sie Teil der schrägen Ben Stiller-Webserie „Burning Love“, heuer moderiete sie überraschend frech und locker den Staffelstart der erfolgreichen „The Ellen DeGeneres Show“. Man merkt: Aniston will ausbrechen, weg von ihrem alten Ich. Will sich als Schauspielerin, Regisseurin und Business-Frau etablieren, die man nicht belächelt, sondern mit der man rechnen muss. Man lacht nur noch mit ihr, nicht über sie. Auch im Comedy-Genre ein großer Unterschied. Und nur den Besten vorenthalten.

Unkonventionell

Ihr neues (altes) Karrieremotto hat Aniston seit „Horrible bosses“ beibehalten, und die Rechnung ging auf: Kritiker sind mit ihrer schauspielerischen Leistung seitdem wieder ausnahmslos zufrieden, Fans sind nicht mehr gelangweilt, und Aniston beweist, dass man auch als 40 plus-Frau in Hollywood sexy Rollen abbekommen kann. Ihre Filme seit „Horrible Bosses“ sind mutiger, eckiger, schwankender, rauher. Immer noch Komödien, immer noch Popkorn-Kino, aber nicht mehr picksüße rosa Zuckerwatte. In „Wanderlust“ tauchte sie gemeinsam mit Filmpartner Paul Rudd (der auch immer mehr die „bösen“ Comedys für sich zu entdecken scheint) als steinreiche Hipster-New Yorkerin in eine durchgeknallte Hippie-Community ein. An den Kinokassen enttäuschte der Streifen zwar, aber wieder war es Aniston, die für ihre Leistung als Schauspielerin gelobt wurde. Und wieder war es ein Film, der eher chillig und abgeklärt als aufgeregt und seidenweich daherkam.

Stripperin, Sängerin und Entführungsopfer

Aktuell ist Aniston in „We’re the Millers“ zu sehen, in dem sie ihre Wandlung zur Scheiß-Dir-Nix-Sexy-Comedydarstellerin-Mit-Viel-Talent-Hinter-Der-Hübschen-Fassade weiter vollzieht. Hier spielt sie, was? wie? wo?, eine Stripperin. Und begeisterte schon vor dem Filmstart aufgrund von geleakter Szenefotos, auf denen Anistons Traumkörper zu bewundern ist. Zu ihren Filmplänen der kommenden Jahre gehören u. a. eine Dokumentation (!), ein Musical (!) und vor allem „Life of Crime“, dem Prequel vom Tarantino-Klassiker „Jackie Brown“, der als ein Mix aus Comedy, Absurdität und viel Gewalt beschrieben wird. Daniel Schechter, der Regisseur des Films, bezeichnet Anistons Darstellung als beste Arbeit ihrer gesamten Karriere. „Leute werden überrascht sein. Sie wird das Publikum vom Hocker reißen.“ Ein bisher veröffentlichtes Szenefoto zeigt Aniston als gefesseltes Entführungsopfer mit einem Stoffsack über den Kopf.
Rachel, wo bist du???

Bye bye, American Sweetheart

Langsam, aber sicher, gewinnt die Persona Jennifer Aniston erneut an Kontur, bekommt Ecken und Kanten, wird wieder für Publikum und Filmemacher interessant. Traut sich endlich, Rollen gegen ihr Image anzunehmen – nicht zuletzt deshalb, weil diese ihr auch endlich angeboten werden. Dabei geht Aniston nicht den Weg einer Miley Cirus oder einer Britney Spears, die so krampfhaft ihr Liebchen-Image loswerden wollten, dass sie auch ihren Stil dabei verloren. Anisto, schließlich auch bereits Mitte 40, bewahrt sich ihre Klasse, ihren modischen Stil, bewegt sich auch nicht allzu sehr aus dem sicheren Fahrwasser des Comedy-Genres hinaus, sie kennt schließlich ihre Stärken und ihre Schwächen. Und sie weiß, was das Publikum von ihr will. Nämlich eine selbstbewusste Frau, die ihr Darling-Getue (das anfangs paradoxerweise von ihr gefordert wurde) hinter sich lässt, dabei aber niemals vergisst, eine Lady zu sein. Bye bye, America’s Sweetheart. Das wiederum hat auch bei Britney Spears geholfen. Da gilt es mittlerweile auch als cool, sie zu mögen.

Ach ja: Gott sei Dank hat Jennifer Aniston mittlerweile auch ihre große Liebe gefunden, nämlich in Schauspieler und Drehbuchautor Justin Theroux. Die beiden sind sogar schon verlobt. Aber bereits soooo lange. Wieso? Will sie doch nicht mehr? Hängt sie gar immer noch an Brad? Oder kann er mit ihrem Erfolg nicht umgehen? Und was ist das da für ein verräterisches Bäuchlein unterm engen Kleid? Und ….

Manche Dinge kann man eben nicht ändern.

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Jennifer Aniston in “We’re The Millers” (Screenshot Trailer)

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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