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Published on März 20th, 2014 | by Manuel Simbürger

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“Glee”: An Geburtstagen erinnert man sich

Die Musical-Serie “Glee” feierte ihre 100. Episode mit viel Sentimentalität und Gefühl, aber auch Witz und Tempo. Vor allem aber mit Dianna Agron und Heather Morris. 

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Schon die vorherigen Wochen haben gezeigt: Die kreative 3-monatige Schaffenspause hat den Autoren der (ehemaligen) US-Erfolgsserie „Glee“ gut getan. Man spürte wieder alte Lebensfreude, die Songs waren wieder spritziger, die Dialoge schärfer, die Darsteller mehr bei der Sache. Die Episode vergangenen Dienstag mit dem Titel „100“ zeigte den kreativen Höhepunkt des „Glee“-Autorenteams – nicht nur der aktuellen Staffel, sondern der vergangenen Jahre. Und der Zeitpunkt konnte nicht besser sein: Denn mit „100“ feierte die bahnbrechende Musical-Serie ihren – genau – 100. Episodengeburtstag. Und wie das an Geburtstag nun mal so ist, erinnerte sich auch “Glee” an gute, alte Zeiten.

100 Episoden

Vor 100 Episoden und rund 5 ½ Jahren haben wir das erste Mal den Chor-Raum betreten und liebenswerten, wenn auch etwas merkwürdigen Teenagern beim Tanzen und Singen zugesehen. Seitdem ist viel passiert, beliebte Darsteller (nämlich mitunter die beliebtesten) haben die Serie verlassen, das Setting wurde gesplittet, Rachel wurde immer sexier und die Storylines zum Teil immer absurder. Neue Figuren kamen und gingen (ohne Erklärung) – und jene, die kamen, die mögen wir bis heute noch nicht. Obwohl, nicht mögen stimmt so nicht ganz. Wir interessieren uns einfach nicht für sie. Sie sind uns egal. Sie sind ein fast nicht existenter Schatten ihrer alles überstrahlenden Vorgänger. Und auch, wenn ich mich hiermit als Anhänger von Jake und Kitty oute – derden Charisma reicht dann am Ende doch nicht, um die Serie vor den immer schneller werdenden Quoten-Sinkflug zu retten. Zuletzt erreichte die Story rund um Rachel, Kurt & Co nur noch schwache 2,30 US-Zuseher (zu Glanzzeiten während der zweiten Season hielt die Serie noch bei rund 12 Millionen US-Sehern!).

Erinnerungen und viel Gefühl

Der erhoffte Mega-Quotensprung blieb zwar auch bei der Jubiläumsfolge aus (2,84 Mio.) aus, aber immerhin bewies „Glee“, dass es in deren Welt auch im fünften Jahr originell, dramatisch, witzig, selbstironisch und knallbunt zugehen kann – wenn man nur will. Und wenn man von seinen eigenen Fehlern konsequent Abstand nimmt. Wie schon die Episoden zuvor spielten die Newbies auch in „100“ eine mehr als untergeordnete Rolle (Marley und Ryder durften wiedermal nicht mal ein Wort sagen, dafür bisserl herumhüpfen), dafür legte man den Fokus komplett auf die gute alte Zeit – in Form von Dianna Agron, Heather Morris, Mark Salling, Harry Shum, Jr. und sogar Kristin Chenoweth und Gwyneth Paltrow, die sich voller Elan in die Musical-Nummern stürzten und tatsächlich das „gute, alte Glee-Feeling“ wiederbelebten. Dass auch Lea Michele, Naya Rivera und Chris Colfer wieder in die Highschool zurückkehrten und New York zumindest für diese und nächste Woche (die Jubiläumsfolge besteht aus zwei Teilen) den Rücken kehrten, machte das Lima-Setting sogar nicht nur erträglich, sondern wieder liebenswert. Erinnerungen kamen in Maschinengewehr-Tempo hoch (unholy trinity!), alte „Glee“-Songs wurden in neuem Gewand beinahe in Minutentakt auf die Zuseher losgelassen und dazwischen  sogar noch eine überraschend gelungene, weil berührende, plausible und spannende (beides eigentlich keine „Glee“-Stärken) Story eingestreut. Ja, sogar Will Shuester nervte diesmal nicht. Weil er wieder der Lehrer war, mit dem wir die Reise vor 100 Episoden begannen. Und als er am Ende der Folge in Tränen ausbricht, tun das auch wir.

Nein, stimmt nicht.

Wir tun das schon viel früher.

Realismus in Bonbon-Papier

Zum Beispiel, als Rachel und Mercedes in der berüchtigten Mädchentoilette über ihren Erfolg philosophieren und deutlich betonen, wie sehr der „Glee“-Club und vor allem die Gruppe selbst sie geprägt haben. Gerade bei „Glee“ war so ein Dialog mal bitter nötig, denn in den letzten Jahren fragte man sich nicht nur einmal, was die Kids wirklich davon haben, singend und lachend durch die Schulgänge zu hüpfen. Ja, die Schulzeit prägt einen – wenn also Mercedes eine Hollywood-Abfuhr bekommt, dann sieht sie nicht die Agenten, sondern Quinn, Santana oder Rachel vor ihrem geistigen Auge. Und wenn Rachel zugibt, dem „Glee“-Club damals vor langer, langer Zeit nur beigetreten zu sein, um das „Gefühl des Auserkoren-Seins“ kennenzulernen, dann kriecht einem die Gänsehaut über den Rücken. Und in diesem Moment ist – ja, ich hätte mir auch nie gedacht, das zu sagen -, „Glee“ realistischer als all die anderen Teenie-Serien wie „90210“ oder „Gossip Girl“ (apropos…hehe….): Die Gruppe von Schulfreunden bleibt nicht auf wundersame Weise all die Jahre bestehen, bestreitet ihren Lebensweg gemeinsam. Jeder geht seinen Weg, jeder ist damit beschäftigt, seinen Platz in der (Show-)Gesellschaft zu finden. Da bleiben schon mal Freundschaften auf der Strecke – und die „Glee“-Kids tun auch gar nicht so, als ob sei dies anders. Aber wenn man sich wieder sieht, ja, dann kommen alte Gefühle wieder auf, und dann weiß man plötzlich, wer einem zu dem gemacht hat, der man heute ist. Und wir Zuseher stehen den vergangenen 1 ½ Staffeln versöhnter gegenüber und denken uns: Na, so schlecht war’s ja eigentlich gar nicht.

Aber auch die ineinander verwobene Szene zwischen Quinn/Puck und Santana/Brittany rührte zu Tränen und griff längst überfällige lose Enden auf. Wir bemerken in diesem Moment, wie sehr wir diese Charaktere, diese Figurenkonstellation vermisst haben und spüren uns plötzlich ihnen wieder mehr verbunden als all die Jahre zuvor. Nicht nur Santana, nicht nur Quinn, nicht nur Brittany werden daran erinnert, was sie vom Leben wirklich wollen. Auch wir wissen wieder, wieso wir uns vor vielen Jahren in „Glee“ verliebt haben und der Beziehung trotz vieler Tiefen bis heute die Treue gehalten haben.

Aufmerksamkeit

Der verstorbene Cory Monteith alias Finn Hudson wurde sensibel, aber nicht aufdringlich in die Story einbezogen. Hier bewies „Glee“, dass sie hier mehr Einfühlungsvermögen besitzt als viele anderen Serien, die ihre toten Figuren nach spätestens zwei Folgen vergessen haben. Überraschend, am Ende aber umso gelungener (weil einprägsamer), dass Rachel hier im Hintergrund blieb und kein Wort über ihren toten Liebhaber verlor. Die stillen Tränen von Lea Michele an der Seite ihres Real-Life-BFFs Chris Colfers trafen mehr ins Herz als jede Schnulzen-Rede. Und dass Quinn auch endlich von Finn Abschied nehmen durfte (wenn auch nur kurz), war ein aufmerksames Geschenk der „Glee“-Autoren an die Fans.

Überhaupt bewiesen diese große Aufmerksamkeit bei „100“: Beinahe jeder des Original-Casts durfte seine musikalischen Talente unter Beweis stellen – bis auf Tina, die aber auch früher nie was singen oder sagen durfte, also passt das irgendwie (nur: den einen oder anderen Moment hätte man ihr und Mike schon gegönnt!). Schauten zwar schon zuvor einige Male alte “Glee”-Members vorbei, so durften die oftmals nicht mal ein Wort sagen und waren nichts mehr als Statisten. Diesmal aber bekamen Puck, Quinn und Brittany ordentliche Storylines, die ihren Charakteren würdig waren und die ihren Tribut zollten. Ich sage nur: “Fondue for two”. Oh, my.

Zudem wurde so gut wie keine (aktuelle und vergangene) wichtige Storyline ausgelassen, auch wenn sie nur kurz angesprochen wurde. Hat’s mich schon geärgert, dass der Streit zwischen Santana und Rachel vollkommen außer Acht gelassen und die Verlobung von Kurt und Blaine (wieder mal) ignoriert wird, bekamen sogar diese Pärchen ihre special moments – im Fall von Klaine sogar in unübertrefflicher April Rhodes-Form: „I am so happy for you two! Another teenage marriage – that’s what this world needs right now!“

That’s „Glee“.

Eine neue Ära

Schon in der Vorgänger-Episode „City of Angels“ spürte man, dass in der „Glee“-Welt eine neue Ära anbricht. Und spätestens seit dieser Woche ist klar: Nichts wird mehr so werden, wie es war. Es wird keine weiteren 100 Episoden geben, also: Begleiten wir „Glee“ bis zum Ende, nicht nur aus Sentimentalität, sondern aus Stolz. Aus Ehrfurcht. Aus Respekt.

„100“ hat uns Fans einmal mehr deutlich gemacht, dass wir wissen wollen, was mit der ehrgeizigen Rachel am Broadway passiert, ob der früher gemobbte Kurt endlich glücklich wird, ob Diva Mercedes die neue Beyonce wird, wem Santanas Herz, die wohl nie wieder ein Cheerleader-Outfit in ihrem Leben tragen wird, wirklich gehört und ob sich Quinn irgendwann wieder erinnert, dass sie eine Tochter hat.

Die alten Zeiten, so sehr wir sie liebten, sind endgültig vorbei. Aber irgendwann muss man auch loslassen. Mit „100“ haben wir gebührend Abschied gefeiert.

Jetzt kommt New York.

 

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Unholy Trinity is back – erwachsener und verruchter als jemals zuvor.

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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