Music 18EA097383D65983DD472A526E06765A2014210152420397

Published on Januar 3rd, 2015 | by Manuel Simbürger

0

Whitney Houston: The Greatest Voice of All

Ich mag Live-Alben von Künstlern. Da ist nix gekünstelt (wenn man nicht grad Britney heißt oder manchmal auch Madonna), die Seele der Songs entfaltet sich besser als auf auto-getunten Sudioalben und, wenn man es g’scheit macht, wird die geballte Energie des Konzerts auf die Silberscheibe gepresst. Live-Alben bringen die Party – oder die emotionale Reise ins tiefste Innere seines Selbst – ins private Wohnzimmer. Live-Alben beweisen endgültig, ob es sich hier um einen Künstler, Entertainer, Star oder Möchtegern-Singkehlchen handelt. Oder um Legenden.

Download (42)

Endlich ein Live-Album

Es ist erstaunlich, dass Whitney Houston in ihrer rund 30-jährigen Karriere niemals ein Live-Album auf den Markt gebracht hat, galt sie doch bereits bei Veröffentlichung ihres Debutalbums Mitte der 80er Jahre als die beste Stimme ihrer Generation und hat sich spätestens mit dem “The Bodyguard”-Album und der ultimativen Liebes-Hymne “I will always love you” einen Legenden-Status in der Musikgeschichte erarbeitet. Whitney Houston ist die am meist ausgezeichnetste und auch kommerziell erfolgreichste Musikerin unserer Zeit und beeinflusste maßgeblich Musikgrößen wie Mariah Carey, Celine Dion, Mary J. Blidge, Jennifer Hudson oder Christina Aguilera. Und doch – ein Live-Album blieb sie ihren Fans ihr Leben lang schuldig.

Weil aber, im Gegensatz zu uns Normalsterblichen, das Leben von großen Musik-Legenden nicht mit dem Tod endet – das wissen wir frühestens seit Elvis Presley und spätestens seit Michael Jackson -, wurde dem Wunsch von Millionen Houston-Fans weltweit endlich nachgegeben und Ende 2014 – pünktlich zum Weihnachtsgeschäft – die Live-Edition “Whitney Houston Live: Her Greatest Performances” auf den Markt gebracht. Nicht geworfen, wohl bemerkt – denn die CD/DVD zeichnet sich mit viel Liebe zum Detail aus und spiegelt Whitneys Eleganz, Grazie und einzigartiges Talent wieder, wie es nur wenige Live-Alben schaffen. “Her Greatest Performances” ist Rückblick und Zeitreise zugleich (look at that outfits!) und gibt einen besseren Einblick in die Seele der 2012 verstorbenen Sängerin, als es jede Dokumentation, jedes Interview (sorry, Oprah!), jede Reality-Show könnte. Auch wenn Houston als keine Sängerin bekannt war, die viel und gerne tourte, gab sie von 1986 bis 2010 doch rund 600 Live-Konzerte – die mehr als 50 TV-Auftritte (Talk Shows gab’s in den USA schließlich immer schon!) nicht mitgerechnet. “Her Greatest Performances” beweist einmal mehr, dass Whitney Houston für die Bühne gelebt hat, fürs Singen gelebt hat, dass sie in jedem einzelnen Song, bei jedem einzelnen Auftritt ihre Seele offenbarte und auch mit dem banalsten Song eine herzerwärmende Geschichte erzählen konnte, wie es keine Sängerin vor und nach ihr konnte. Whitney Houston, so abgedroschen es klingen mag, spielte in ihrer ganz eigenen Liga – auch dann noch, als der körperliche – und vor allem stimmliche – Verfall, hervorgerufen durch immensen Drogenkonsum, in ihren letzten Lebensjahren nicht mehr zu leugnen war und als man wusste, auch wenn man es sich nicht eingestehen wollte, dass das Ende gekommen war – nicht nur von Houstons Karriere, sondern von ihrem Leben. Ein Leben, das eine ganze Generation beeinflusst hat.

You won’t forget that name!

“Her Greatest Performances” beginnt mit Whitney Houstons allererstem TV-Auftritt  in der Talkshow “The Merv Griffin Show” im Jahre 1983. 19 Jahre alt war Whitney damals, arbeitete als Model und Hobby-Musikerin. Ihr Entdecker Clive Davis kündigte sie an und versprach dem – ebenso begeisterten – Merv Griffin, dass er hier einen Star, eine Künstlerin entdeckt habe, wie es sie nur einmal im Leben gibt. Und tatsächlich: Schon in den ersten Sekunde, als eine schüchterne Whitney die Bühne betritt, wird klar, dass es sich hier um ein Ausnahmetalent handelt. Den Musical-Klassiker “Home” gibt sie mit engelsgleicher Stimme zum Besten, jede Emotion, jeder Ton, jeder Atmer ist perfekt. “You won’t forget that name!”, meinte Merv am Ende ihres Auftritts – und wusste gar nicht, wie Recht er behalten sollte.

Weiter geht’s mit Whitneys Auftritten bei den BRIT-Awards, den Grammy-Awards und dem Arista Records 15th Anniversay Concert, alle angesiedelt Ende der 80er, Anfang der 90er-Jahre – zweifellos jener Zeitraum, in dem Whitney am Höhepunkt ihrer Karriere angekommen war. “You give good love” (ihre erste No 1-Single), “How will I know”, “I wanna dance with somebody” und natürlich die unvergesslichen Balladen “One Moment in Time” und “Greatest Love of all” zeugen von Whitneys Diversität, zeugen davon, dass sie nicht nur im Balladen-, sondern auch im Disco-Genre felsenfest im Sattel saß. Whitney bestritt die Songs auf der Bühne alleine, ohne Tänzer; Band und Background-Sänger hielten sich dezent im Hintergrund. Würden viele Musiker heute wahrscheinlich ziemlich verloren auf der Bühne wirken, hatte Houston eine Bühnenpräsenz, die jener von Michael Jackson mühelos das Wasser reichen konnte. Standing Ovations gab’s bei allen ihren Auftritten, das Publikum war gebannt – und Whitney, das sieht man in jeder Sekunde ihrer frühen Auftritte, hatte dort oben vorm Publikum die Zeit ihres Lebens. Und auch, wenn sie mühelos zu Discoklängen die Bühne rockte, waren es doch von Beginn an (und bis zum Ende ihrer Karriere) die großen Balladen, für die Whitney besonders geliebt und gelobt wurde – und für die auch am meisten ihr eigenes Herz schlug, wie sie offen in Interviews zugab. Ihr Auftritt bei den Grammy-Awards 1989, bei denen sie “One Moment in Time” mühelos und emotional zum Besten gab, gilt bis heute als einer der besten Auftritte in der Grammy-Geschichte. Und spätestens bei “Greatest Love of All” wird dem geschockten Zuhörer bewusst, dass es sich hier um Live-Gesang handelt, so mühelos vorgetragen, als würde die Gute gerade entspannt auf ihrer Wohnzimmer-Coach sitzen. Man fragt sich einmal mehr, wie ein einziger menschlicher Körper so viel Power und Emotionen hervorbringen kann.

Voice of a Generation

Fehlen darf bei dieser Sammlung, die von Clive Davis und der Whitney Houston Estate herausgegeben wurde, natürlich nicht Houstons Super Bowl-Auftritt 1991, der später als Schlüsselmoment ihrer Karriere bekannt werden sollte. Die USA befanden sich gerade im Zweiten Golfkrieg, die Lage war angespannt, der amerikanische Patriotismus angeschlagen. Da schmetterte Houston im Trainingsanzug die USA-Hymne war keiner vor ihr, womit ihre “Stimme zum Nationalheiligtum der Reagan/Bush-Ära” wurde, wie die “Zeit Online” so treffend titulierte. Houstons Version von “The Star Bangled Banner” – die Hymne ist nicht gerade für ihren Ohrwurm-Charakter bekannt – ist bis heute die einzige, die sich erfolgreich in den Charts behaupten konnte: 1991 erreichte sie die Top 20, 2001, anlässlich der 9/11-Tragödie, stieg ihre Version sogar bis auf Platz 6 der Charts. Houstons Auftritt ist bis dato der bekannteste Super Bowl-Auftritt und gilt – man muss es nicht extra betonen – auch als der beste in der Super Bowl-Geschichte.

Auch Whitneys karitative Auftritte finden sich gleich mehrmals in der Sammlung wieder. Das von ihr organisierte Konzert “Welcome Home Heroes” gab sie zu Ehren der US-Army, die im Zweiten Golfkrieg für ihre Heimat ihr Leben riskierten. Gleich drei Auftritte davon gibt es auf “Her Greatest Performances” – verständlich, war Whitney an diesem Abend in absoluter Bestform und bewegte sich auf musikalischer Höhe , die sie danach nur noch selten erreichte (was bei Houston, das sei betont, was heißen mag!). Bei “I’m Your Baby Tonight” (dem sexiesten Disco-Dancesong, den es je gab), dem Klassiker “A Song for You” und vor allem bei der Power-Ballade (und dem absoluten Highlight dieser Sammlung) “All the Man that I need” liegt ihr die gesamte US-Army zu Füßen und spätestens bei dieser Performance steigen dem Fan Tränen in die Augen. Man ist gebannt von Houstons Mix aus Eleganz, Bühnenpräsenz und Talent und muss unwillkürlich daran denken, dass nur ein Jahr später Houstons Drogenkonsum seinen Start nahm und somit auch ihr Anfang vom Ende.

I will always love you

Nach einem atemberaubenden Medley bei den American Music Awards 1994 (Houston gewann damals ganze 8 Awards – take that, Beonce!) wird einem weiteren bahnbrechenden Konzert von Houston Tribut gezollt – ein Open Air-Konzert, das nicht nur musikalische, sondern auch politische Geschichte schreiben sollte. Houston “Concert for a New Africa”, ebenfalls 1994, gab sie zu Ehren des damals neu gewählten afrikanischen Präsidenten Nelson Mandela – und war damit auch zugleich die erste internationale Künstlerin, die in Südafrika nach Abschaffung der Apartheid auftrat. “Her Greatest Performances” zeigt von diesem Konzert die Songs “I’m every woman” und – habt ihr auch schon drauf gewartet? – die Nächstenliebe-Hymne “I will always love you”.

1992 sollte das erfolgreichste Jahr in Whitney Houstons Karriere werden: Ihr Kinodebut “The Bodyguard” sprengte die Kinokassen, das gleichnamige Album ist mit 45 Millionen (!) Kopien, 11 Billboard Awards und drei Top 5-Single der bis heute erfolgreichste Film-Soundtrack aller Zeiten. Die Lead-Single “I will always love you” hielt sich 14 Wochen lang an der Spitze der US-Charts und wurde Houstons erfolgreichste Single (und wohl derjenige Song, der am öftesten auf Hochzeiten gespielt wird). Houstons Performance von “I will always love you” in Südafrika war der emotionalste Höhepunkt dieses denkwürdigen Abends, das Publikum weinte, lag sich in den Armen und verinnerlichte vielleicht einmal mehr, dass es nun endlich frei war – und mit Mandela nun einen Präsidenten hatte, der zur Gallionsfigur des Friedens aufsteigen sollte. Und mit Whitney Houston eine farbigen Musikgröße, der die Welt zu Füßen lag.

My love is your love

Fast wie ein Fremdkörper wirkt das Musikvideo von “My Love is Your Love”, das zwischen den Live-Performances gepresst wurde. Und doch, blickt man auf Houstons Karriere zurück, ist es passend, an dieser Stelle ein Musikvideo einzuschieben. Houstons gleichnamiges Album 1998 galt als Houstons großes Musik-Comeback, hatte sie doch acht Jahre lang kein Studio-Album mehr veröffentlicht. Vor allem aber repräsentierte “My Love is Your Love” (die Single war international ein großer Erfolg) Houstons radikalen und berühmten Image-Wandel: Die 80er endgültig hinter sich lassend, war Whitney längst nicht mehr das süße American Girl, Everybody’s Darling, sondern zeigte sich nun edgier, sexier, rougher und arbeitete mit den damals angesagtesten R&B-Größen zusammen (u.a. Wycleaf Jean), was sich auch in ihrer Musik wiederspiegelte: Houstons “My love is your love” spiegelten den damaligen modernen Sound perfekt wieder, die Sängerin hatte, trotz jahrelanger Absenz von der Musikbranche, schaffte es beinahe ohne Mühe, das Eighties-Image abzuschütteln und ein up-to-date-Album abzuliefern, als wäre sie niemals weg gewesen. Das Album ist ein Meisterwerk des 90er-R&B und ist rückblickend wohl das am stärksten unterschätzte Album der Sängerin (trotz internationalem Erfolg). Da Houstons Stimme bereits Schwächen zeigte und sie in den nächsten Jahren immer mehr und vor allem mit Drogenskandalen von sich reden machte, beschränkt sich “Her Greatest Performances” wenig überraschend auf wenige Auftritte dieser Ära: “My Love is your Love” bei David Letterman gibt’s zu sehen und natürlich das unvergessliche Duett mit Mariah Carey bei der Oscar-Verleihung 1999, wo Houston einmal mehr bewies, dass sie ohne große Anstrengung ihre größte Konkurrentin in die Tasche steckt (man achte auf Mariahs entnervtem und sich geschlagen gebenden Blick, als Whitney ihr einfach so eine Gesangszeile wegschnappt. Divas at her best!).

I didn’t know my own strength

“Her Greatest Performances” schließt mit Houstons damals überraschenden Auftritt bei den World Music Awards 2004, wo sie die Ballade “I believe in you and me” zum Besten gab, sowie mit Houstons denkwürdigem Auftritt in der Oprah Winfrey Show im Jahr 2009, in der sie mit der von ihrer Cousine Dionne Warwick geschriebenen Ballade “I didn’t know my own strength” das Publikum (und Oprah) zu Tränen rührte. Beide Auftritte zeugen vom Drama, das Houston während dieser Zeit in ihrem Privatleben erlebte und durch welche Hölle sie ging: Körper und Stimme von den Drogen gezeichnet, sind diese Auftritte zwar immer noch mit das Beste, was die Musikbranche damals zu bieten hatte, verglichen zu ihren Performances der 80er und 90er Jahre wirkt Houston aber nur noch als Schatten ihrer selbst. Mutig jedoch, diese Auftritte der Sammlung von “Her Greatest Performances” zuzufügen, ergibt sich so doch ein rundes und unverfälschtes Bild einer außergewöhnlichen und einzigartigen Karriere, die so atemberaubend begann und so tragisch endete.

Am Ende ihrer Karriere (und ihres Lebens) besann sich Whitney Houston nochmals ihrer Gospel-Wurzeln und entdeckte vielleicht noch ein einziges Mal – das letzte Mal – das schüchterne, bildschöne junge Mädchen in sich, das 1983 mit engelsgleicher Stimme eine rührende Geschichte über das Heimkehren erzählte und damit die TV- und Musiklandschaft in wohltuende Schockstarre versetzte. Mit “Her Greatest Performances” dürfen wir uns, gemeinsam mit Whitney Houston, noch einmal auf diese Reise begeben und dabei erkennen, dass Glanz und Elend doch nur verschiedene Seiten derselben Medaille sind.

18EA097383D65983DD472A526E06765A2014210152420397

(c) Screenshot

0

(c) Screenshot

images

 

 

Tags: , ,


About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *


eins + 7 =

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>

Back to Top ↑

Lesen Sie den vorherigen Eintrag:
Screenshot (242)
The Comeback: Is this even real anymore?!

Gerade erst angefangen und schon wieder vorbei: Vergangenen Sonntag strahlte HBO das Staffelfinale der zweiten Season von „The Comeback“ aus....

Schließen