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Published on August 3rd, 2014 | by Manuel Simbürger

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Was wir von der RTL-Bachelorette lernen können

Ich hab gestern auch mal bei der Bätschelorett reingeschaut. Weil ich bin ja bei der vorigen Bätschela-Staffel mit dem feschen Christian ziemlich angesprungen, wofür ich mich heute noch schäme, aber was soll man tun, ich bin auch nur Opfer der RTL-isierung der gesamten TV-Landschaft.

Jedenfalls: Gestern. Bätschelorett. Deren Namen ich jetzt aus dem FF gar nicht wiederholen kann, was wahrscheinlich damit zu tun hat, dass die Gute so viel Ausstrahlung wie ein ungetoastetes Toastbrot hat. Abgesehen davon: Ich könnte jetzt an dieser Stelle sagen, dass ich sowas dummes und billiges lang nicht mehr gesehen hab (und das hab ich auch auf Facebook getan, man will ja betonen, dass man sich selbst viel zu intellektuell für solche Trash-Kuppel-Formate hält). Aber eigentlich ist das nicht der wahre Grund, wieso ich noch jetzt, fast 24 Stunden nach meinem Bätschelorett-Besuch, irgendwie ang’fressen auf die Sendung schaue. Denn: Die Sendung hat so manches bestätigt, wogegen ich immer so sehr gekämpft habe. Wogegen ich mich immer gewährt habe, das zu akzeptieren. Nein, dachte ich immer, Fernsehen darf nicht so funktionieren. Nein, dachte ich immer, die Welt darf nicht so funktionieren. Und nun hat mir die Bätschelorett mit ihren 15 Gspusis gezeigt, dass es doch so ist.

Ich liste mal ein paar Dinge auf, welche durch die Sendung bestätigt wurden. Und ich bin halt schon geschockt. Aber irgendwann müssen wir uns alle der Realität stellen. Nur fühle ich mich gerade so wie damals, als ich erfahren hab, dass es das Christkind nicht gibt (also vor einer Woche ungefähr).

  1. Im Reality-Fernsehen geht es also wirklich nur um Zickereien. Und – wahrscheinlich noch schlimmer – das Publikum will das tatsächlich sehen. Denn bei der Bätschelorett gibt’s nicht viel Zickerei, weil es fast nur Jungs in der Sendung vorkommen. Da geht’s dann friedlicher zu, und – schwupps – gehen auch die Zuseher flöten. Nur 2 Millionen Deutsche wollten gestern wissen, wer der liebestollen Jungs eine Rose bekommt oder nicht.
  2. Womit wir schon beim zweiten wolrd-shattering-Punkt wären: Jungs sind (in der Gruppe und alleine und überhaupt) anscheinend wirklich nicht so zickig und kompliziert wie Mädels. In der Bätschelorett & Bätschela-Welt sieht man das sehr schön: Während es sehr bald mit ausgefahrenen Krallen, Haare-Ziehen und Lästern losgeht, wenn in der Villa nur Mädels wohnen, entdecken die Burschen eher die Freundschaft für sich: Die umarmen sich, liegen faul in der Sonne herum, reden nix miteinander (weil man schließlich gemeinsam auch schweigen dann), cremen sich gegenseitig den Rücken ein, füttern sich mit Trauben, tanzen miteinander, klopfen sich auf die Schulter, freuen sich, wenn der andere ein Einzeldate mit der Bätschelorett kriegt (!), gehen zusammen nackt schwimmen (okay, das ist vielleicht nur in meinem Kopf passiert). Natürlich wird da auch zusammen gegrillt, weil Männer am Feuer, das stärkt schließlich die Gemeinschaft. Natürlich gibt es auch den einen oder anderen Macker, der das Revier markiert (und dabei die anderen ordentlich vollpisst), aber im Grunde herrscht Einigkeit in der Männer-Villa. Und ich wollte so gerne glauben, dass Mädels-Freundschaften genauso tiefgehend sind wie die zwischen zwei Bros.
  3. Männer sind anscheinend auch untereinander viel ehrlich als Frauen und legen die Fakten gleich auf den Tisch: Er habe einen Kleinen, einen sehr Kleinen, einen so kleinen, dass er sich fast schon schäme dafür. Die anderen schweigen nur betreten. Weil über so ein Leid nun mal nicht zu spaßen ist. Da müssen Männer eben zusammenhalten.
  4. Und wenn wir schon beim Bestätigen von Geschlechtervorurteilen sind: Geht man nach der Bätschelorett, sind Frauen anscheinend wirklich viel emotionaler als Männer. Die Gute ist ja schon nach dem ersten Einzeldate mit Thomas derart hingerissen, dass man meinen möge, die will den Typen gleich heiraten. Aber natürlich findet sie auch an so ziemlich allen anderen Junggesellen „irgendwas, was mich absolut reizt, wo ich sage: WOW!“ Auch beliebt: “Ich möchte schmelzen!” Oder: “XY hat so etwas Faszinierendes an sich, dem kann ich mich nicht entziehen!” Oder: “Der Moment mit ihm war sehr intensiv.” Oder: “Wenn er in der Nähe ist, dann geht es mir gut.” Und das geht zwei Stunden so weiter. Während die Herzerl aus den Augen des Toastbrotes (sie heißt übrigens Anna Christiana Hofbauer, wie ich grad gegoogelt hab) nur so fliegen und gar nicht mehr aufhören wollen, halten sich die Jungs auffällig bedeckt. Da gibt’s zwar hier und da mal Argumente (vor allem, ganz brav, bei den Interviews mit dem Redakteur-Phantom), aber so wirklich kann sich der Großteil der Jungs nicht durchringen, Gefühle zu zeigen. Was dann schon sehr absurd ist, wenn z.B. während der Jeep-Fahrt die Frau Bätschelorett sich gar nicht mehr einkriegt vor Begeisterung von ihren männlichen Mitfahrern, die aber nur still daneben sitzen und vielleicht mal, nach einigen Sekunden Stille, ein „Du bist auch interessant“ loswerden. Aurelio drückt es halt so aus: „Man kann auch gemeinsam schweigen“. Wir lernen also: Männer sind nicht gefühlvoll und reden nix. Frauen dafür umso mehr und lassen sich von ihren Emotionen leiten (Letzteres sieht man zum Beispiel daran, dass Christina fast zum Heulen anfängt, als Marvin nur anmerkte, er hätte sich mal überlegt, so ganz kurz, so nebenbei, so irgendwie, die Show zu verlassen). Ich bin traurig.
  5. Um nochmal auf Punkt 3 zurückzukommen: Es scheint ja fast so, als ob die Burschen mehr an einander interessant seien als an der Zu-Auswählenden (was auch durch das Kommentar eines „Insiders“ in der Immer-Recht-Habenden-BILD bestätigt wird, dass „wir uns die Bachelorette schön trinken mussten“). Was mich zur Conclusio bringt: Es gibt keine Heten mehr auf der Welt. Wobei ich noch nicht ganz sicher bin, ob mich das nun wirklich traurig macht oder nicht. Man kann es auch so betrachten: Bromance, wohin man schaut. Und das stimmt mich schon viel mehr …ähm… erfreut.(c) RTL, RTLArmanda Claro / BILD-Zeitung
  6. Die Sendung bestätigt auch, dass die KandidatInnen solcher Formate vielleicht nicht ganz so die Hellsten sind. Denn so wirklich scheinen die alle dort die Spielregeln nicht verstanden zu haben: Während die Männer sich gegenseitig lieber entdecken als die Bätschelorett, war es eben die, die in der ersten Sendung in Tränen ausbrach, weil sie so gerührt war, dass 20 Männer nach Portugal gereist sind, nur um sie zu sehen. Echt, jetzt.
  7. RTL scheint tatsächlich das Geld auszugehen – oder die talentierten Redakteure. Denn sonst hätte man doch, bitte schön, eine bessere Bätschelorett gefunden.
  8. Das Schlimmste zum Schluss: Das Bätschela-Konzept ist durch und durch ein Schwindel. Da geht’s gar nicht um die wahre Liebe. Das ist alles nur sehr, sehr gestellt. Das wird – vielleicht geht es da aber nur mir so – bei dieser Staffel deutlicher denn je. Wie hier romantische Stimmung und Funken erzwungen und immer dieselben Floskeln fallen gelassen werden, das ist fast schon schockierend. Ganz so, als würde da ein Drehbuch dahinterstecken. Von dieser Erkenntnis bin ich am meisten schockiert. Denn die Bätschela & Bätschelorett bildet doch die echte Welt ab ….

Eigentlich wollte ich 10 Punkte finden, aber mehr fallen mir nicht ein. Wahrscheinlich besser so. Denn mein Weltbild hat sich auch jetzt schon mehr als genug verändert. Es wird sich zeigen, ob ich nächsten Mittwoch erneut die Kraft finden werde, der Bätschelorett und ihren Bromance-Fans einen Besuch abzustatten.

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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