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Published on Januar 16th, 2016 | by Manuel Simbürger

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Der Tag, an dem ich Emma Watson traf

Der „Harry Potter“-Star gehört momentan zu den faszinierendsten Gesichtern Hollywoods – und der Feminismusbewegung. Wie es ist, Emma Watson persönlich gegenüber zu sitzen, durfte ich vergangene Woche in London erleben.

Ohne angeberisch klingen zu wollen (na gut, vielleicht ein bisschen): Ich habe im Laufe meiner Karriere schon etliche prominente Personen getroffen. Zum gemütlichen – oder nicht so gemütlichen – Plausch über Gott und die Welt, über das eigene Ego und den Weltfrieden. Selten aber war die Resonanz in meinem (persönlichen und nicht persönlichen) Umfeld so überragend, so emotional, so Augenleuchten-triggernd wie bei meiner Ankündigung, ich würde in wenigen Tagen in London auf Emma Watson treffen. Die aus den „Harry Potter“-Filmen. Die Hermoine. Die Fesche. Die G’scheite. Die Süße. Die Feministin.

„Mah, wie cool!“ war eines der weniger kreativen orgiastischen Bekundigungen aus meinem Umfeld. „Die hat ja erst einen Buchklub gegründet, einen feministischen nämlich!“, klären mich meine männlichen Freunde auf und sind sichtlich stolz, das überhaupt zu wissen. „Frag sie, welche Bücher sie empfehlen kann!“ wird mir ebenso aufgetragen wie die Aktivierung all meiner Sinne: Ob sie tatsächlich so hübsch sei wie in all den Filmen? Und ach, wie intelligent die Emma nicht ist! Und dass das Treffen sicher „magisch“ sein werde, diesen Witz konnte man sich auch nicht verkneifen (nämlich ich selbst nicht, in einem weniger glanzvollen Moment). Auch in London selbst werde ich von der mir fremden Supermarkt-Dame bewundert. Ob ich denn hier auf Besuch sei, will die nette Kassiererin wissen (okay, anscheinend muss ich noch an meinem britischen Akzent arbeiten). „Ja, ich treffe in einer halben Stunde Emma Watson“, antworte ich, wahrscheinlich mit nicht weniger Begeisterung in meiner Stimme als meine Freunde. Überraschtes Gesicht, das sich sogleich in ein seliges Lächeln verwandelt. „She’s such a lovely lady!“, meint die Dame verträumt und ist in dem Moment wohl nicht mehr bei Tesco, sondern in Hogwarts. Kurz kommt mir der Gedanke, ob ich in wenigen Minuten so etwas wie eine Audienz bei einem britischen Nationalheiligtum habe und glaube, dass ich damit gar nicht so falsch liege. „I wish you the best of luck“ meint sie dann noch abschließend, aus welchem Grund auch immer. Meine Erwartungen sind also groß, meine Neugier steigt ins Unermessliche.

Warten auf Hermoine

Das Interview findet im Corinthia Hotel statt, eines der nobelsten Hotels Londons, nicht weit vom Piccadilly Circus entfernt. Ich schlendere den langen Korridor zum Check-In-Hotelzimmer entlang, wo wir Journalisten aus aller Welt zusammentreffen, um dann 20 Minuten mit der derzeit wohl beliebtesten 25-Jährigen weltweit sprechen zu dürfen. Ich muss husten, es ist ein typischer rainy day heute in London. Sofort lugt ein junger Mann in Anzug misstrauisch um die Ecke. Ich ahne: Ich bin hier richtig.

Vor Room 225 ist das Filmplakat zu „Colonia“ aufgestellt, Emmas neuestem Film über die chilenische Sekte Colonia Dignidad. Leider ist der Streifen selbst nicht sonderlich spannend und nur allzu konventionell ausgefallen, was auch die anwesenden Journalisten im Raum lautstark kundtun. Eine Kollegin aus der Schweiz gibt sogar zu, sich nur mit Mühe fünf interessante Fragen zu „Colonia“ zusammengekratzt zu haben, und beugt sich daraufhin gleich wieder verzweifelt über ihren Notizblock. Vor dem Zimmer laufen Emmas Assistenten und Pressebetreuer auf und ab, einer von ihnen, ein fescher, aber doch eher unscheinbarer und schmächtiger Kerl, entpuppt sich als ihr Bodyguard. Große Macht ist eben selten an Äußerem festzumachen, gestehe ich mir ein und muss sofort an Harry Potter denken. Ich schäme mich. Wird die intelligente Emma jemals den Hermoine-Stempel loskriegen?

Im zweiten Stock des Londoner Nobel-Hofels "Corinthia" empfing Emma Watson Journalisten aus der ganzen Welt.

Im zweiten Stock des Londoner Nobel-Hofels “Corinthia” empfing Emma Watson Journalisten aus der ganzen Welt.

Die magische Audienz

Das frage ich sie auch, so in etwa zumindest, als ich kurze Zeit später, zusammen mit je einem Kollegen aus Deutschland, aus Italien sowie der verzweifelten Schweizerin, in das Hotelzimmer nebenan gerufen werde. Und da steht sie plötzlich, die Emma Watson, die Hermoine Granger aus dem „Potter“-Universum. Mit einem strahlenden Lächeln begrüßt sie jeden von uns mit einem Händeschütteln persönlich. „Nice to meet you“, meint sie und strahlt dabei eine Aura aus, die, sorry, an einen magischen Sog erinnert, den man sich nur schwer entziehen kann. Der Händedruck ist für solch eine zierliche und zerbrechlich wirkende Person erstaunlich fest. Und wie hübsch sie ist! Bildhübsch. Ja, noch hübscher als auf der Leinwand, vor allem erwachsener. Die Haut wie Porzellan, die Figur mädchenhaft, aber doch nicht infantil, ihre Augen zeugen von einer Mischung aus Interesse, Offenheit, aber auch Distanz und kritischer Vorsicht. Die zarten Sommersprossen um die Nase verleihen ihr etwas Freches, ohne frivol zu wirken. Das Haar trägt sie mittlerweile wieder kurz, was sie um ein vielfaches seriöser und weniger kindlicher wirken lässt als die Langhaar-Mähne. Auch, dass sie nicht ohne Grund als DIE neue Stilikone gilt, wird in den ersten Sekunden klar: Emma trägt ein modisches schwarzes Kleid von Alexander McQueen (wie wir kurz darauf erfahren, der Italiener ist nämlich für eine Frauenzeitschrift da), das ihr bis zu den Knien reicht. Dazu modische schwarze Stiefel, aber ohne Absatz, das würde sie zu hart wirken lassen, die ehemalige Hogwarts-Schülerin, das weiß sie auch. Denn eines sticht in den ersten wenigen Sekunden ebenso ins Auge wie Emmas Modegeschmack: Die Mittzwanzigerin ist nicht zu unterschätzen und weiß genau, was sie tut. Schon wieder muss ich an Hermoine denken.

Feminismus, mehr als nur ein Wort

Das Gespräch beginnt – das verlangen die Manieren – mit Fragen über ihren neuen Film, das Interesse daran ist aber bald erschöpft. Also weiten wir die Themen bald aus, und Emma lässt sich zumindest nicht anmerken, sollte ihr das etwas ausmachen. Über ihre Erfahrungen als Kinderstar wollen wir etwas wissen („Man gewöhnt sich dran!“), über ihre zukünftige Filmkarriere (sie pendelt zwischen Big Budget und Independent), über ihre Fähigkeit zum Multitasking, ihren Uni-Abschluss, über ihre, wie sie uns freudestrahlend verrät, Ausbildung zur Yoga-Lehrerin und natürlich über Feminismus und Frauenrechte. Umringt von uns neugierigen Pressefuzzis steht sie ihrer Frau, wirkt in keinem Moment eingeschüchtert, sieht einem, während man die Frage stellt, fest in die Augen. Emma Watson ist ein Profirofi, sie beherrscht den Umgang mit den Medien. Ihr gefällt meine Frage „Colonia” betreffend (juhu!), ob das denn ein wichtiger Aspekt für sie gewesen sei, dass in dem Streifen nicht der Junge das Mädel rettet, sondern umgekehrt. Weil: Feminismus und so.

Ihre Antworten sind professionell freundlich, aber nicht überschwänglich. Sie übt sich in vornehmer britischer Zurückhaltung, achtet aber auf eine angenehme Atmosphäre – und auf eine faire Gesprächskultur: Weil zwei der Kollegen den Rest von uns nicht zu Wort kommen lassen, greift Emma persönlich ein und wendet sich gezielt an denjenigen, der schon minutenlang entnervt versucht, seine Frage stellen zu dürfen (wer das ist, darf mal erraten werden). Die Schweizerin, die einzige Frau in der Runde, kann sich gegen uns Männer nicht ganz durchsetzen – was auch Emma bemerkt und im Halb-Scherz anmerkt: „Jetzt bist du wieder mal dran, du hast noch weniger Fragen gestellt als alle anderen Männer hier am Tisch!“ (Stimmt zwar nicht so ganz, aber macht ja nix). Feminismus ist also für die Schauspielerin nicht nur eine leere Worthülse. Als der Italiener zum Abschluss frech anmerkt, dass hier am Tisch wohl keine Gleichberechtigung herrscht, lächelt sie nur milde, gar etwas gequält. Über manche Themen sollte man in Emma Watsons Gegenwart eben keine Witze reißen.

Stolze Widersprüchlichkeit

Was am Ende des Gesprächs vor allem auffällt, ist die überraschende Widersprüchlichkeit, ja vielleicht sogar Zwiespältigkeit der Schauspielerin, die sie aber im Grunde noch ein Stückchen interessanter macht. Mit sehr fester Stimme stellt sie sich allen Fragen, betont aber auch, wenn ihr ein Thema mal zu persönlich wird. Auch daran, dass die Aussage von Kate Winslet über die Hollywood’sche Gleichberechtigungsdebatte („Über Geld zu reden ist vulgär!“) ganz sicher aus dem Zusammenhang gerissen wurde, lässt sie keinen Zweifel und man hat gleich ein schlechtes Gewissen, etwas anderes gedacht zu haben.

Über ihr eigentlich am Herzen liegende Themen wie Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, aber auch ihren neuen Buchklub will sie an dem Tag anscheinend nicht wirklich sprechen und zeigt sich überraschend wenig redefreudig und hat doch einige langweilige Standard-Antworten parat. Dass in ihrem Kopf aber mehr vorgeht, als sie tatsächlich sagt, daran muss man nicht zweifeln, schließlich wird ihr ein IQ von 135 nachgesagt. Nur schade, dass sie diese Gedanken mit uns nicht auch teilen möchte. Die Frustration, dass sie immer noch mit „Harry Potter“ in Verbindung gebracht wird und dass ihr mit 25 immer noch das Image des Kinderstars anhängt, kann Emma nicht ganz verbergen. „Es ist nicht unnatürlich, erwachsen zu werden!“, meint sie mit britisch-trockenem Sarkasmus auf die Frage, ob das das ewige mediale „Wow, seht, wie sehr Emma Watson erwachsen geworden ist!“ nicht nerve. Ganz kann man Leuten (sprich: mir) aber den Vergleich mit Hermoine Granger aber nicht verübeln: Immer wieder setzt Emma während des Gesprächs den berühmten kritisch-misstrauischen und auch stur-entschlossenen Blick auf, den wir vom Zauberlehrling so schätzen und lieben.

Moderne, tapfere Heldin

Auf die Minute genau wird das Gespräch nach 20 Minuten vom Assistenten (ein weiterer wacht während des Termins darauf, dass auch ja keine persönlichen Fragen gestellt werden, wie wir im Vorhinhein versprechen mussten) beendet. Der Italiener will „noch schnell“ eine letzte Frage stellen. „Sorry guys, jetzt ist Schluss“, meint Emma lächelnd, aber bestimmt. Steht sofort auf, das Lächeln wirkt plötzlich etwas kühler. Der Gesichtsaudruck hat sich verändert. „Bye“ sagt sie nochmal in Runde, jetzt beinahe schüchtern lächelnd, winkt kurz, fast wie die Queen, und verschwindet daraufhin im Badezimmer. Mir gelingt es, einen Blick hineinzuwerfen und sehe eine müde, fast traurig wirkende junge Frau, die mit ihren Gedanken schon wieder ganz wo anders ist. Ich versuche ihr zuzulächeln, aber ihr Blick geht durch mich hindurch. Erinnerungsfotos sind keine erlaubt.

Zuhause angekommen, werde ich mit Fragen überhäuft: Wie war’s in London? Wie war Emma? Ich denke mir, dass die Last des modernen Feminismus nicht so magisch ist, wie man es sich wünschen würde. Ich sage es jedoch nicht. Denn, das haben wir in Hogwarts gelernt: Jede Zeit braucht ihre Helden. Auch, wenn sich diese manchmal am liebsten in Badezimmern einschließen würden.

Foto: Screenshot YouTube

 

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About the Author

Ich bin freiberuflicher Journalist in Österreich (I’m a freelance journalist in Austria) – und wie das bei Journalisten so ist, schreibe ich über alles (naja, fast alles) lieber als über mich selbst. In meinem Fall: Kultur, Pop, Popkultur – und alles, was dazwischen liegt. Weil man Lifestyle, Musik, Film, TV, Gesellschaftskritik, Politik und Gossip nun mal nicht trennen kann. Weil Populärkultur der Spiegel der Gesellschaft ist. Und weil ich als Journalist der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten will. Man könnte auch sagen: Popkultur mit Niveau. Infotainment vom Feinsten.



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